Podium mit Ehrhart Neubert und Detlef Pollack am 4. November 2022, Foto: Wuttke/EAT
Am 1. Mai 1988 hing auf einem Dach in Berlin – nahe dem U-Bahnhof Schönhauser Allee – ein selbst gefertigtes Transparent 8 x 2 Meter: gelber Stoff, grüne Schrift: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ Lange als SED-Parole bekannt, hatte die Partei diese Losung im Jahr zuvor aus dem Repertoire gestrichen – wegen Gorbatschow…
Solcherlei Aktionen waren es, mit denen Mitglieder der DDR-Opposition für öffentliches Aufsehen und für Unruhe sorgten – im Staat und auch im Raum der Kirche. Doch wie ist aus heutiger Sicht die Wirkung der oppositionellen Gruppen auf die DDR-Gesellschaft einzuschätzen?
Bei der Tagung „Unruhestifter in Staat und Kirche“ in Neudietendorf stritten darüber der Religionssoziologe und Theologe Dr. Ehrhart Neubert und der Religions- und Kultursoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack. Die kontroverse und tiefgründige Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Die Bedeutung der Gruppen für die gesellschaftlichen Transformationsprozesse der 1970er und 1980er Jahre“ wurde moderiert von Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich.
Als Podcast in der Reihe „Hörenswertes im Bistum Erfurt“ aufbereitet kann die Diskussion jetzt hier nachgehört werden.
Am 24. und 25. April fand in Eisenach der Mitgliederversammlung der Ev. Akademien in Deutschland (EAD) statt. Als stellv. EAD-Vorsitzender hieß Dr. Sebastian Kranich die Teilnehmenden aus ganz Deutschland im Haus Hainstein am Fuße der Wartburg Willkommen. Dabei beleuchtete der Direktor der Ev. Akademie Thüringen kurz die Geschichte des Hauses, das 2024 sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Dr. Annika Schreiter ergänzte das Gesagte als stellv. Direktorin der Thüringer Akademie mit einigen Bemerkungen zur deren Arbeit in der nahegelegenen Jugendbildungsstätte Junker Jörg. In diesem Zuge stellte sie das neu entwickelte Biografiespiel „Allersleben“ zum Erwachsenwerden in der DDR vor.
Die Tagesordnung umfasste viele geschäftliche Punkte. Zudem wurde u. a. über die Arbeit der Akademien zu den Themen Friedensethik und Ukraine sowie Rechtspopulismus/Rechtsextremismus diskutiert.
Höhepunkt der Tagung war die Feier zur Verabschiedung von Dr. habil. Klaus Holz, der als Generalsekretär 13 Jahre lang die Arbeit des EAD entscheidend geprägt hat. Kolleg:innen und Weggefährt:innen würdigten seine Leistung mit Abschiedsgrüßen und -geschenken.
Udo Hahn, Direktor der Ev. Akademie Tutzing und Vorsitzender der EAD, sagte: „Klaus Holz hat sich um die Evangelischen Akademien in Deutschland große Verdienste erworben. In seiner Amtszeit ist es gelungen, dieses zivilgesellschaftliche Netzwerk zu stabilisieren und seine Aktivitäten deutlich auszuweiten – u. a. durch mehr Fördermittel des Bundes. Unter seiner Führung hat die Arbeit dieser Denkwerkstätten in der politischen Bildungsarbeit an Profil und Ansehen gewonnen. Das gilt insbesondere im Blick auf das Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus sowie den Einsatz zur Stärkung unserer Demokratie.“
Weitere Grußworte sprachen u. a. Dr. Birgit Sendler-Koschel, Oberkirchenrätin und Leiterin der Bildungsabteilung der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und Corinna Hirschberg, Leiterin des Verbands der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland und Vorsitzende der Konferenz kirchlicher Werke und Verbände in der EKD (KKWV). Durch den Abend führten Rüdiger Noll, Bereichsleiter Europa und Ökumene in der EAD, und Hanna Lorenzen, derzeit noch Bundestutorin der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et). Hanna Lorenzen wird in Kürze die Nachfolge von Klaus Holz als Generalsekretärin der EAD antreten.
Als Generalsekretär vertrat Klaus Holz die EAD auf Bundesebene gegenüber kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Institutionen. 2015 wurde er in den Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus der Deutschen Bundesregierung berufen. Er initiierte u. a. das Netzwerkprojekt „Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus“. Holz war Ko-Vorsitzender der Konferenz kirchlicher Werke und Verbände (KKWV) und im Vorstand der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, Institut für interdisziplinäre Forschung (FEST) e. V. in Heidelberg.
2021 erschien sein jüngstes Buch „Antisemitismus gegen Israel“ (mit Thomas Haury). Dessen Premiere fand Ende Oktober jenes Jahres bei einer Kooperationsveranstaltung der Ev. Akademie Thüringen in Erfurt statt. Einen Bericht dazu lesen Sie in unserem Blog.
Alice irrt durch den Garten der Königin und trifft die Grinsekatze: „Würdest du mir bitte sagen, welchen Weg ich einschlagen muss?“, fragt Alice. „Das hängt in beträchtlichem Maße davon ab, wohin du gehen willst“, antwortete die Katze. „Oh, das ist mir ziemlich gleichgültig“, sagte Alice. „Dann ist es auch einerlei, welchen Weg du einschlägst“, meinte die Katze. „Hauptsache, ich komme irgendwohin“, ergänzte Alice. „Das wirst du sicher, wenn du lange genug gehst“, sagte die Katze. (Alice im Wunderland)
Unter dem Motto von Alice im Wunderland begann die diesjährige Ost-West-Schreibwerkstatt: „Utopisten:innen vereinigt euch!“. 26 Teilnehmer:innen begaben sich auf eine Reise durch ihr persönliches Kaninchenloch, suchten neue Wege und hofften gemeinsam auf ein irgendwo Ankommen.
Matthias Lemme und Susanne Niemeyer, zwei erfahrene Autor:innen und Referent:innen, leiteten die Tagung erneut mit viel Engagement. Das bereits eingespielte Team inspirierte mit Musik, Film und Literatur zu neuen Visionen der Zukunft. Über ein Wochenende hinweg lernten die Teilnehmer:innen tatkräftig voneinander und über sich selbst. Sie erfassten Werte und betrachteten sie unter neuem Blickwinkel. Facettenreich und unterschiedlich wurde geschrieben und geträumt von einer Zukunft, in der wir alle leben können. Ein Ort, an dem Worte „wie Musik“ geliebt werden, schrieb eine Teilnehmerin.
In Form von Manifesten, Briefen und Bewerbungen wurde von und an die Zukunft geschrieben. Man flüsterte von dem, was man sich erträumte, und verkündete immer lauter: „Ja, wir werden Großes vollbringen“. Die einen sahen ihre Utopie in der gemeinschaftlichen Beendigung aller Krisen, andere fanden es im Alltäglichen. Es wurde von Frieden, Gerechtigkeit und Liebe zwischen Menschen, Tieren und Natur gesprochen.
Vorsichtig und dann viel gefestigter möchte man einander in der Hoffnung auf Neues unterstützen, ineinander die Zukunft entdecken. Die Teilnehmer:innen setzten sich ihre Zukunft gegenüber, fragten sie, wer, was und wie sie sein will. Sie fanden sie am Meer, im Wald, in der Stadt oder irgendwo dazwischen. Eine Zukunft, die bereits auf sie wartet, ungeduldig und voller Eifer. „Etwas Besonderes passierte in Neudietendorf“, fasste eine Teilnehmerin zusammen. Das Besondere hierbei begann im Beisammensein, im Zuhören und Teilen, im Austausch über Generationen hinweg.
So herrschte eine Stimmung der Hoffnung als man sich am Sonntag verabschiedete, und sich gegenseitig eine schöne Zukunft wünschte. Wie Alice im Wunderland machten sich auch unsere Utopisten:innen mit Neugier auf den Weg nach dem „Irgendwohin“.
Rebecca Robinson, Studentische Hilfskraft an der Evangelischen Akademie Thüringen
Vom 31.03.-03.04.2023 fand wieder der Workshop des JPT (Jugendpolitisches Team) in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg in Eisenach statt, diesmal mit dem Titel: „Meine Zeit… in wessen Händen?“. Unsere BFDlerin Julia Philipps war dabei und berichtet von ihren Erfahrungen und Eindrücken:
„In den knapp 3 Tagen habe ich viele ganz verschiedene Menschen kennengelernt. Es waren einige Teilnehmer:innen dabei, die schon jahrelang (jugend-)politisch aktiv sind, aber auch Leute, die einfach mal reinschnuppern wollten.
Am ersten Abend haben wir zum warm werden eine Betzavta-Übung mit dem hübschen Namen ,Das Haus meiner Träume‘ gemacht, die (gewollt) in einer bemüht demokratischen Debatte über die Pros und Kons des gemeinschaftlichen Wohnens endete.
Samstag ging es thematisch um die Krisen dieser Zeit – die Corona-Pandemie, der Klimawandel, die Inflation… – und wie wir jungen Menschen damit umzugehen versuchen. Auch der anschließende Filmabend mit dem Film ,Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‘ ist erwähnenswert.
Sonntag haben wir uns über unsere Freizeit, beziehungsweise ,Übrigzeit´ (wie ich sie jetzt nach dem Kennenlernen von Theresa Bückners ,Alle_Zeit – Eine Frage von Macht und Freiheit‘ nennen würde) ausgetauscht und überlegt, wie wir diese bewusster erleben können, also mehr ,Me-Time‘ als ,Ich-muss-noch-millionen-Sachen-machen-sonst-bin-ich-ja-so-unproduktiv-Time‘ haben.
Dank des eher lockeren Settings hatten alle Teilnehmer:innen aber auch Zeit sich in kleineren Kreisen zu ganz anderen Themen auszutauschen oder die Abende entspannt ausklingen zu lassen.
Meine persönlichen Highlights waren ganz klar die Bezavta-Übung und die Gespräche über Übrigzeit, wobei auch die spontane nächtliche Wanderung auf die Wartburg definitiv unter meinen Top 3 Aktivitäten ist.“
Einführung durch Dr. Sebastian Kranich (Foto: EAT)
Podiumsdiskussion mit den Autorinnen (Foto: EAT)
Diskussion in vier Gesprächsrunden (Foto: EAT)
75 Stühle waren gestellt und wurden um 19.00 Uhr gebraucht beim Augustinerdiskurs am 30. März. Nach der Begrüßung durch Christoph Bender, stellv. Leiter der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen und Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich kam letzterer mit den Autorinnen Dr. Agnès Arp (Universität Erfurt) und Dr. Élisa Goudin-Steinmann (Sorbonne-Nouvelle Paris) ins Gespräch über deren Buch „Die DDR nach der DDR. Ostdeutsche Lebenserzählungen“.
Rasch regte sich nach konzentriertem Zuhören das Bedürfnis zu fragen und das Gehörte zu kommentieren. Eigene biografische Erfahrungen und Einsichten hatten schließlich in vier Gesprächsgruppen Raum. Engagiert und lebhaft wurde in diesen Gruppen bis 21.00 Uhr diskutiert und anschließend noch weiter beim Imbiss, den das Augustinerkloster vorbereitet hatte. Gegen 21.45 Uhr waren etliche Gäste noch immer im angeregten Gespräch.
Worum es an diesem Abend ging, das lesen Sie in der Osterausgabe der Mitteldeutschen Kirchenzeitung Glaube und Heimat.
Seit vielen Jahren bietet das Frühlings-Barcamp Kirche Online, das durch die östlichen Landeskirchen wandert, eine Plattform für all jene, die sich mit digitalen Medien, Glauben und Kirche auseinandersetzen möchten. Das Besondere am Barcamp-Format ist, dass die Veranstalter:innen nur den Rahmen setzen. Die Inhalte kommen von den Teilnehmenden, die daher auch Teilgebende genannt werden. Im vergangenen Jahr lag die Organisation bei der Ev. Akademie in Neudietendorf. In diesem Jahr hatten die Kollegen des Amts für kirchliche Dienste der EKBOden Hut auf und das Barcamp fand in Berlin bzw. digital statt.
Für eine hybride Umsetzung ist ein enormer technischer wie konzeptioneller Aufwand erforderlich. Damit Teilnehmende im digitalen Raum nicht nur Zuschauende sind, sondern wirklich teilhaben – und wie beim Barcamp üblich – teilgeben können, braucht es viele Kameras, guten Ton und eine Moderation, die alles gleichzeitig im Blick behält.
In Berlin gelang dieses Kunststück erneut. Die Ev. Akademie Thüringen unterstützte durch Moderation im digitalen Raum. Und so tauschten sich Haupt- und Ehrenamtliche aus über die Möglichkeiten kirchlichen Intranets, über den Umgang mit Hatespeech von persönlich Betroffenen, über die Chancen von KI in der Gemeindearbeit oder über elektronisch erzeugte Kirchenlieder. Das Programm und alle kollaborativ erzeugten Protokolle sind übrigens noch über die Barcamp-Seite einsehbar.
Fortsetzung folgt. Dann vermutlich unter Federführung der Sächsischen Landeskirche.