Arbeitszeitkonferenz: Neue Thüringer Arbeitsministerin stellt sich Fragen
Bildserie: Impressionen von der 11. Thüringer Arbeitszeitkonferenz (AZK). Die AZK ist ein aktives Konferenzformat der Allianz für den freien Sonntag und der Evangelischen Akademie Thüringen. Foto: Fehlberg/EAT. Die Thüringer Arbeitsministerin Katharina Schenk (SPD) gibt einen Impuls und stellt sich den Fragen der Anwesenden. Die "Brombeerkoalition" sei nicht "SPD pur", gab Schenk zu Protokoll. Foto: Lübbers/EAT. Tim Stolze vom Landesamt für Vebraucherschutz, Abteilung Arbeitsschutz (li.) und Julia Langhammer vom DGB (re.) resümieren Workshopergebnisse. Foto: Fehlberg/EAT. 24/7-Ladenöffnung?! Dr. Ralf Stroh (Mitte sitzend), theologischer Referent Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung, und Knut Bernsen (re. stehend), Landesgeschäftsführer des Handelsverbandes Thüringen, im Pro-und-Contra-Format. Foto: Fehlberg/EAT.
Dass die neue Arbeitsministerin Katharina Schenk (SPD) auf der 11. Thüringer Arbeitszeitkonferenz Präsenz zeigte, spricht angesichts der noch frischen „Brombeerkoalition“ (CDU, SPD, BSW) für die Schwerkraft dieser jährlichen Neudietendorfer Fachtagung. An die Teilnahmen ihrer Vorgängerin Heike Werner (LINKE) anknüpfend, gab Schenk einen Impuls an die Konferenz und nahm viele Impulse wieder mit in das Thüringer Ministerium für Soziales, Gesundheit, Arbeit und Familie.
Eines der Schwerpunkthemen in diesem Jahr war die sozial-ökologische Transformation im ländlichen Raum Thüringens, welche anhand des Verbundprojekts ECO2WEL im Eichsfeld ein konkretes Gesicht mit Vorbildcharakter erhielt. Aus Bremen und Wien in Österreich kamen mit Dr. Carsten Sieling und Valentin Wedl Vertreter der dortigen Arbeitskammern, um deren Verortung im (deutschen) Wirtschaftskammerwesen zwischen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Berufskammern deutlich zu machen. Schließlich fand auch wieder das „Brot-und-Butter-Thema“ seinen angestammten Platz: die Beschäftigung mit dem Arbeitszeitgesetz und dem Arbeitsschutz, welche in fachlich-gründlicher Weise von Mitarbeitenden des Landesamts für Verbraucherschutz angeleitet wurde.
Themen von Arbeitskammer bis Sonntagsöffnung
Am zweiten Veranstaltungstag wurde eine kontroverse Debatte ausgefochten, welche sich beim Gespräch mit der Ministerin am Morgen schon stark angekündigt hatte: Wie hältst Du’s mit den 24/7-Ladenöffnungszeiten?! Schon in der Färbung der Publikumsfragen an Schenk zeigte sich, dass die Arbeitszeitkonferenz maßgeblich von der Allianz für den freien Sonntag organisiert wird, einem Bündnis aus Gewerkschaften, den ökumenisch verbundenen Kirchen und weiteren Organisationen, welche sich für den arbeitsfreien und zumal gesamtgesellschaftlich als Ruhe- und Gemeinschaftstag anerkannten Sonntag einsetzen.
Als Kontrahenten eines von der Moderatorin Alexandra Husemeyer ausgestalteten Pro-und-Contra-Formats traten Knut Bernsen, Landesgeschäftsführer des Handelsverbandes Thüringen, und Dr. Ralf Stroh, theologischer Referent für Wirtschafts- und Sozialethik am Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, in die „Arena“. Während Bernsen mit den Wünschen und Bedürfnissen von Politik, Handel und Konsumenten argumentierte, schärfte Stroh das Bewusstsein dafür, dass der Sonntag nun mal kein Werktag sei und die 24/7-Ladenöffnung für „Kleinstsupermärkte“ in Wahrheit zu einem Dammbruch für den grundgesetzlich geschützten Sonntag werden könne.
Warnung: Dammbruch des grundgesetzlichen Sonntagsschutzes
Das Publikum zeigte nach den Plädoyers eine zwar kritische, aber durchaus differenzierte und eigenständige Haltung gegenüber der 24/7-Ladenöffnung. Es wurde deutlich, dass die Argumentation von Politik und Handel in Richtung „digitaler Dorfläden“ als Sympathieträger für eine „Belebung des ländlichen Raums“ nicht ohne weiteres verfängt. Der schmerzlich vermisste Dorfladen, so die vielfach geäußerte Befürchtung, könne als Türöffner für den gesamten stationären Einzelhandel missbraucht werden, der die strukturellen Probleme des ländlichen Raums ganz sicher nicht löse.
Die tatsächliche Entwicklung der Gesetzgebung in Mitteldeutschland nährt diese Zweifel erheblich. In Thüringen – dies hat zumal Ministerin Schenk in ihrem Konferenz-Impuls bekräftigt – sei eine entsprechende Gesetzesänderung zugunsten digitaler „Verkaufsstellen ohne Personal“ eine Frage der Zeit. In Sachsen-Anhalt ist kürzlich bereits eine Gesetzesänderung beschlossen worden: Diese sieht keinerlei Flächenbegrenzungen für „vollautomatisierte Verkaufsstellen“ mehr vor, wie es in anderen Bundesländern wie etwa Hessen noch der Fall ist. Es wird mit keinem Wort mehr der ländliche Raum fokussiert. Das umfassende „Aufbohren“ des Möglichkeitsraums für die allgemeine Sonntagsöffnung ist damit einen gehörigen Schritt näher gerückt.
Die Debatte um die Sonntagsöffnung durch digitalisierte Verkaufsstellen war bereits im Oktober 2024 im EAT-Blog Thema. Die verfassungsrechtliche Bewertung und damit auch die Prüfung bereits bestehender Änderungen der Ladenöffnungsgesetze verschiedener Bundesländer hat am 24.10.24 der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) den Spitzen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) empfohlen.
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Im Downloadbereich dieses Beitrags finden Sie die Präsentationen der Referent:innen auf der 11. Thüringer Arbeitszeitkonferenz (PDF), sofern vorliegend und freigegeben.