Evangelische Akademie Thüringen

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Boykottiert Katar! … oder nicht?

  • In der Fishbowl-Diskussion tauschten alle Anwesenden Argumente rund um die Fußballweltmeisterschaft in Katar aus. Foto: © EAT/Lübbers
    In der Fishbowl-Diskussion tauschten alle Anwesenden Argumente rund um die Fußballweltmeisterschaft in Katar aus. Foto: © EAT/Lübbers
  • Sportjournalist Ronny Blaschke wirbt dafür, einen differenzierten Blick auf Katar als Austragungsort zu werfen.  Foto: © EAT/Lübbers
    Sportjournalist Ronny Blaschke wirbt dafür, einen differenzierten Blick auf Katar als Austragungsort zu werfen. Foto: © EAT/Lübbers
  • "Katar hat zu viele rote Linien überschritten", findet Autor Bernd-M. Beyer und unterstützt daher den Aufruf zum Boykott der WM.  Foto: © EAT/Lübbers
    "Katar hat zu viele rote Linien überschritten", findet Autor Bernd-M. Beyer und unterstützt daher den Aufruf zum Boykott der WM. Foto: © EAT/Lübbers

So kritisch wie über die kommende Fußball-Weltmeisterschaft in Katar wurde selten im Vorfeld berichtet. Grund genug, das Thema im Augustinerdiskurs aufzugreifen. Am 3. November diskutierten so im Augustinerkloster zu Erfurt rund 40 Teilnehmende über das Für und Wider des Turniers in dem arabischen Emirat unter dem Titel: „Winter, Wüste, Worldcup. Wirklich ein Fußballfest?“

Sportjournalist Ronny Blaschke eröffnete den Abend mit einem Einblick in die Motivation Katars. Das Land am persischen Golf ist nur in etwa so groß wie Hessen und hat gerade einmal 270.000 Staatsbürger:innen. Katar sei klein, aber unglaublich (rohstoff)reich. „Militärisch kann sich Katar nicht wehren“, erläutert Ronny Blaschke. „Deshalb investiert es in sogenannte Soft Powers.“ Das bedeutet, dass es sich wirtschaftlich, kulturell und eben auch sportlich einen Platz auf der Weltbühne erarbeitet habe – vor allem durch massive Investitionen. Die Fußball-WM sei dabei ein wichtiger Baustein. „Eine WM in Katar ist damit vielleicht genau das, was sich eine kapitalistische Welt verdient hat“, subsumiert Blaschke.

Bernd-M. Meyer, Autor des Buchs „Boykottiert Katar 2022!“, räumte im anschließenden Input ein: „Ein perfektes Land für eine Fußball-WM wird es nie geben.“ Doch Katar habe im Hinblick auf die Menschenrechtslage im Land, die Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigrant:innen, die ökologischen Kosten und der erwiesenen Korruption bei der Vergabe zu viele rote Linien überschritten. Unter dem Slogan „Boykottiert Katar“ haben sich daher viele Fans in Deutschland zusammengetan, um ein Zeichen zu setzen. Es gibt Protestaktionen in und außerhalb von Stadien oder die Aktion #KeinKatarinmeinerKneipe, bei der Lokale ein Alternativprogramm zum gemeinsamen Fußballschauen während der Spielübertragungen anbieten.

Genauso kontrovers wie die beiden Inputs zu Beginn verlief auch die Fish Bowl-Diskussion im Anschluss. Bei diesem Gesprächsformat sitzen die Diskutierenden in der Mitte wie in einem Aquarium und mindestens ein Stuhl ist frei für alle, die sich ins Gespräch einbringen wollen. Diese Option wurde rege genutzt. „Ist Katar boykottieren nicht eine billige Protestform?“, fragte ein Teilnehmer. Wenn man zeitgleich weiter Discount-T-Shirts trage und im Stadion munter Currywurst esse, setze man zwar ein Zeichen, der Protest habe aber wenig mit dem eigenen Leben zu tun. Andere wiederum brachen eine Lanze für die vielen Fußballfans, denen Nachhaltigkeit sehr wohl am Herzen liege und für die der WM-Boykott nur ein Ausdruck ihres Engagements sei. Ob man die Weltmeisterschaft nun schaut oder nicht, eines hat sie jetzt schon bewirkt: Eine lebhafte Diskussion über Nachhaltigkeit, Menschenrechte und Sport, die hoffentlich auch dann weitergeht, wenn der Ball erst einmal rollt.

Der Augustinerdiskurs war eine gemeinsame Veranstaltung mit der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, der Konrad Adenauer Stiftung / Politisches Bildungsforum Thüringen und dem Augustinerkloster zu Erfurt.