Evangelische Akademie Thüringen

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Geld oder Leben?

  • Gut 40 Betriebs- und Personalräte sowie Beschäftigte aus Gewerkschaften und Verwaltung kamen am 3. und 4. März 2022 zur 8. Thüringer Arbeitszeitkonferenz im Zinzendorfhaus Neudietendorf zusammen. Foto: (c) Anna Lübbers/EAT
    Gut 40 Betriebs- und Personalräte sowie Beschäftigte aus Gewerkschaften und Verwaltung kamen am 3. und 4. März 2022 zur 8. Thüringer Arbeitszeitkonferenz im Zinzendorfhaus Neudietendorf zusammen. Foto: (c) Anna Lübbers/EAT
  • Auf dem Podium diskutierten u.a. die Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Grüne, 2.v.l.), Martin Kröber (SPD, Mitte) und Carl-Julius Cronenberg (FDP, r.). Foto: (c) Anna Lübbers/EAT.
    Auf dem Podium diskutierten u.a. die Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Grüne, 2.v.l.), Martin Kröber (SPD, Mitte) und Carl-Julius Cronenberg (FDP, r.). Foto: (c) Anna Lübbers/EAT.

Arbeitszeit ist Lebenszeit. Jede und jeder Beschäftigte fragt sich folglich, wieviel Arbeit gut ist und welches Verhältnis von Arbeit, Familie, Ehrenamt sowie Freizeit am besten zum eigenen Lebenskonzept passt. Die Interessen sind dabei sehr unterschiedlich: Während die fortgeschrittenen Generationen daran gewöhnt sind, viel zu arbeiten und ihre Karriere voranzubringen, bevorzugt die junge Generation oftmals weniger Arbeitsstunden und ein geringeres Gehalt. Laut Julia Langhammer, DGB-Bezirk Hessen-Thüringen, ist die durchschnittliche Arbeitszeit im Freistaat relativ hoch (40-42 h/Woche). Und fast zwei Drittel der Beschäftigten haben nach einigen Angaben kaum Einfluss auf ihre Arbeitszeiten.

Doch gerade (Mit-)Bestimmung hinsichtlich der eigenen Arbeitszeiten ist als Faktor für die Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten kaum zu überschätzen. Aus arbeitsmedizinischer Sicht wären kürzere Arbeitsphasen, die zudem der individuellen biologischen Uhr der Beschäftigten entsprechen, zu bevorzugen, erklärt Prof. Dr. Astrid Heutelbeck, Universitätsklinikum Jena. Weiter sollten die sozial besonders bedeutsamen Stunden (z.B. am Abend oder am Wochenende) nicht durch Arbeit blockiert werden, da dies die Erholung zusätzlich erschwere.

Prof. Dr. Michael Behr, Thüringer Arbeitsministerium, zeichnet den dramatischen Wandel der Arbeitsgesellschaft in den letzten 15 Jahren nach: Die Beschäftigung sei so stark gewachsen, dass sich ein neuer Generationenkonflikt abzeichne: Wenn die Babyboomer in Ruhestand gingen, könnten die nachwachsenden Generationen die Lücke nicht füllen – und gleichzeitig wollten sie auch gar nicht so viel arbeiten wie die Generation ihrer Eltern. Trotzdem gibt es nach wie vor einen großen Niedriglohnbereich in Deutschland. Beschäftigte bei Kurier- oder Lieferdiensten etwa arbeiten bei schlechter Bezahlung oft deutlich mehr als zulässig – und können ihre Rechte nicht durchsetzen. Die Aufsichtsbehörde wiederum hat nur begrenzte Ressourcen und könne daher nicht flächendeckend kontrollieren, so Frau Dr. Ziemer, Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz.

Wo Arbeitnehmerschutzrechte nicht wirken, muss mehr für die Rechtsdurchsetzung getan werden – da waren sich die Bundestagsabgeordneten der Ampel-Koalition beim Abschlusspodium einig. Auch für die Schaffung einer Arbeitsinspektion, die sämtliche Kompetenzen bei Arbeits- und Gesundheitsschutz über Ländergrenzen hinweg bündelt, zeigten sie sich offen. Unterschiedlicher Ansicht waren Carl-Julius Cronenberg (FDP), Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Grüne) und Martin Kröber (SPD) bei Fragen der Selbstkontrolle im Home Office und experimentellen Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz.

Geld oder Leben? Die Entscheidung ist besonders schwierig, wenn man die Wahl nicht hat. Wer dagegen Einfluss auf Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen nehmen kann, ist zufriedener, gesünder und leistungsfähiger. Dies haben die Tagungsgäste der 8. Thüringer Arbeitszeitkonferenz in ihrer Abschlusserklärung gefordert.

Im Thüringen Journal berichtete der MDR über die Arbeitszeitkonferenz.