Evangelische Akademie Thüringen

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Land. Wirtschaft. Kollektiv. Wem gehört das Land? - Videoaufzeichnung online

  • Die Tagung "Land. Wirtschaft. Kollektiv." fand am Thüringer Gedenkort des Bauernkriegs von 1525 statt: im Panorama-Museum Bad Frankenhausen. Foto: Lange/TSK
    Die Tagung "Land. Wirtschaft. Kollektiv." fand am Thüringer Gedenkort des Bauernkriegs von 1525 statt: im Panorama-Museum Bad Frankenhausen. Foto: Lange/TSK
  • Der Thüringer Minister und Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff eröffnete die Veranstaltung. Foto: Lange/TSK
    Der Thüringer Minister und Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff eröffnete die Veranstaltung. Foto: Lange/TSK
  • Die Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Gesine Langlotz, in der Diskussion mit Torsten Weil, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastuktur und Landwirtschaft. Foto: Lange/TSK
    Die Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Gesine Langlotz, in der Diskussion mit Torsten Weil, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastuktur und Landwirtschaft. Foto: Lange/TSK

„In der Natur, dem Werke der Schöpfung, kommen noch keine Grund- und Kapitaleigentümer vor.“ Schon als einer der ersten Sozialökonomen, der Landwirt und Gutsbesitzer Karl Rodbertus, um 1870 an diesen banal scheinenden Umstand erinnerte, waren die Bodennutzung und die menschengemachte Rechtsinstitution des privaten (Land-)Eigentums hochumstritten.

Einen aktuellen Einblick in dieses bis heute konfliktträchtige Kardinalthema bot am 15. April 2023 die Tagung Land. Wirtschaft. Kollektiv. Wem gehört das Land?, welche gemeinsam von der Thüringer Staatskanzlei, der Evangelischen Akademie Thüringen, der Bundesstiftung Aufarbeitung sowie dem Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im Panorama-Museum Bad Frankenhausen veranstaltet wurde. Die Videoaufzeichnung der Veranstaltung ist nun online verfügbar.

Zur Videoaufzeichnung der Veranstaltung auf der Internetseite der Thüringer Staatskanzlei.

Anlässlich des 70. Jahrestages des Aufstandes vom 17. Juni 1953 und der Kollektivierung der Landwirtschaft der DDR wurde ein zeithistorisch grundierter Problemaufriss aktueller Fragen des Landeigentums und der Agrarwirtschaft geboten. Die Kollektivierungsmaßnahmen hatten in der DDR selbstbestimmt wirtschaftende Bauern durch die Organisationsformen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) gleichsam zu „Hörigen“ des „Arbeiter- und Bauernstaates“ gemacht. Viele weitere bewegten die Zwangsmaßnahmen zur Flucht aus der DDR.

Etwa 70 Teilnehmende verfolgten nach der Tagungseröffnung durch den Thüringer Minister und Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff zwei Impulsvorträge zur Zwangskollektivierung und zum Prozess der deutschen Wiedervereinigung. Eindrücklich schilderte im Anschluss Zeitzeuge Manfred Probst das wechselnde Schicksal des Vorwerks Podemus nahe Dresden, des einstmals enteigneten und von ihm nach der „Wende“ wieder übernommenen Familienhofes. Gabriele Probst – wie ihr Mann promovierte Agrarwissenschaftlerin – legte eindrücklich dar, dass die zentrale Bedeutung des Bodens für eine nachhaltige Land- und Gesamtwirtschaft dem Nicht-Fachpublikum heute erst wieder grundständig vermittelt werden müsse: „Das tiefe Verständnis für den Boden fehlt völlig.“ Dessen Ertragsfähigkeit, im Kern also die Fähigkeit zur Erzeugung einer jährlichen Ernte, müsse wieder an oberster Stelle der Betrachtung des Bodens stehen, so Gabriele Probst.

Die Thematisierung der Geschehnisse rund um die deutsche Wiedervereinigung nach 1989 und die damit verbundene, teils als willkürlich erfahrene Rückkehr zum Rechtsprinzip der selbstbestimmten Privatautonomie führte zu manch hohen Wogen in der Debatte der Teilnehmenden. Zum Abschluss der Veranstaltung führten Vertreter von Agrar-, Raum- und Sozialwissenschaften, Thüringer Landwirtschaftsministerium sowie landwirtschaftliche und bäuerliche Interessenvertretungen eine lebhafte Podiumsdiskussion. Diese griff die aufgebrochenen Konflikte der Publikumsdebatte auf und weitete noch einmal den Blick für die klimapolitisch-globale Bedeutung sowie die Möglichkeiten zukünftiger gesamtgesellschaftlicher Lösungen der Bodenfrage.

Überwiegend wurde von den Teilnehmenden der Tagung die Notwendigkeit der Betrachtung des Bodens als Lebensgrundlage und Basis aller weiteren wirtschaftlichen Entfaltung sowie die Rückbindung an seine Ertragsfähigkeit bekräftigt. Diese Forderungen äußerten sich in Plädoyers für die ökologisch-nachhaltige Bewirtschaftung der Ressource Boden genauso wie in der Ablehnung einer rechtlichen Freizügigkeit, welche die Handelbarkeit und Behandlung des Bodens als bloße Ware zum Ergebnis habe.


In seinen „Tagungsbetrachtungen“ erläutert Studienleiter Frank Fehlberg, was für ihn die Kernthemen der Veranstaltung waren (als Download rechts neben dem Blogartikel).