Evangelische Akademie Thüringen

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Polizisten im Kopf und ein ganzer Regenbogen an Möglichkeiten

  • Der "Regenbogen der Wünsche" ist Namensgeber und gleichzeitig die zentrale Technik der instrospektiven Theatertechniken des Theaters der Unterdrückten. Foto: © Schreiter/EAT
    Der "Regenbogen der Wünsche" ist Namensgeber und gleichzeitig die zentrale Technik der instrospektiven Theatertechniken des Theaters der Unterdrückten. Foto: © Schreiter/EAT
  • Die Technik "Polizist im Kopf" macht deutlich, wie internalisierte Machtverhältnisse, Konflikte, Glaubensätze usw. Handeln beeinflussen oder oft auch verhindern. Foto: © Schreiter/EAT
    Die Technik "Polizist im Kopf" macht deutlich, wie internalisierte Machtverhältnisse, Konflikte, Glaubensätze usw. Handeln beeinflussen oder oft auch verhindern. Foto: © Schreiter/EAT

Eine Szene in einem Frisörsalon: Der kleine Finn soll einen neuen Haarschnitt bekommen, aber nur die Spitzen, damit die Dino-Spangen noch benutzt werden können. Doch die Frisörin schafft Fakten und beginnt mit dem Kurzhaarschnitt, den hier alle kleinen Jungen bekommen. „Finn sieht ja sonst aus wie Fiona!“ Die Mutter steht fassungslos daneben und weiß nicht recht, wie sie reagieren soll. Denn in ihrem Kopf hört sie noch viel mehr Stimmen als die der Frisörin:

„Mädchen haben lange Haare, Jungen kurze. Das war schon immer so.“
„Du kannst dein Kind doch nicht so rumlaufen lassen! Oder willst du, dass es gemobbt wird?“
„Von dir hätte ich nun wirklich nicht erwartet, dass du hier einen Aufstand machst!“
„Der Finn hat es im Kindergarten sowieso nicht leicht und passt sich in der Gruppe schlecht ein.“

Diese Szene entstand im Workshop „Der Regenbogen der Wünsche“ mit der Methode „Polizist im Kopf“. Diese gehört zu den introspektiven Techniken des Theaters der Unterdrückten und lässt die Stimmen im Kopf oder die Blockaden, die Handeln in Konfliktsituationen verhindern, auf die Bühne treten. Im Workshop erspielten und diskutierten Bildungspraktiker:innen, wie sich diese Techniken in der politischen Bildung verwenden lassen.

In der Evangelischen Akademie haben die Workshops zum Theater der Unterdrückten und politischer Bildung in Zusammenarbeit mit dem Berliner Theaterpädagogen Till Baumann inzwischen Tradition. In diesem Jahr standen mit dem Methoden-Set des „Regenbogens der Wünsche“ die introspektiven Techniken im Mittelpunkt. Dabei geht darum, verinnerlichte Machtstrukturen und Konflikte sichtbar zu machen. Warum schaffe ich es nicht, öffentlich zu widersprechen, wenn mir Ungerechtigkeit begegnet? Wie komme ich zu einer klaren Haltung, wenn so viele unterschiedliche Zwänge, Werte, Sehnsüchte oder Bedürfnisse an mir zerren? „Wäre es nicht schön, wenn die Stimmen im Kopf mal still sein würden und wir uns einfach um die Sache kümmern könnten?“, bemerkte eine Teilnehmerin. Mit den Theatertechniken des „Regenbogens der Wünsche“ kann man diesem Ziel vielleicht ein bisschen näherkommen.