Evangelische Akademie Thüringen

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Augustinerdiskurs: Demokratie und Klimaschutz

Julian Kusebauch (l.) moderierte das Gespräch mit den Autoren Axel Salheiser (r.) und Christoph Richter. Foto: © Schreiter/EAT
Julian Kusebauch (l.) moderierte das Gespräch mit den Autoren Axel Salheiser (r.) und Christoph Richter. Foto: © Schreiter/EAT

Was ist Klimarassismus? Diese Frage beantworteten die Sozialwissenschaftler Axel Salheiser und Christoph Richter am 14. Februar im Luthersaal des Evangelischen Augustinerklosters zu Erfurt. Hierfür lasen sie zentrale Abschnitte aus ihrem Buch Klimarassismus. Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende vor und kamen anschließend mit dem Publikum ins Gespräch. Der erste Augustinerdiskurs des Jahres 2023 versuchte, sich damit einem Thema anzunähern, das zwar „in der Luft liegt“, aber weder ein begriffliches Koordinatensystem noch einen greifbaren Diskursraum gefunden hat: Wie können Gesellschaft und Wirtschaft den fundamentalen Herausforderungen der Klimakrise in demokratischen Formen begegnen?

Solange sich in der Gesellschaft keine Kräfte finden, welche die Handlungsmöglichkeiten der Demokratie im Umgang mit schwer entscheidbaren Fragen von globaler Reichweite konstruktiv thematisieren, finden sich andere, die ihre Schlüsse mit altbekannten Ideologien ziehen. In rechtslibertären, rechtsradikalen und rechtsextremen Kreisen, so die Autoren in ihrem Buch, herrsche eine kolonialrassistische bis neoliberale Art der Behandlung dieser Fragen vor. Manche reagieren mit glatter Verleugnung, manche aber durchaus auch mit Akzeptanz auf den Umstand des menschengemachten Klimawandels; allerdings nur insoweit, als sie ihn für ihre Zwecke instrumentalisieren können.

So würde der Ökofaschismus zwar durchaus Umwelt und Klima schützen wollen, aber eben zum Preis einer anti-demokratischen und rassistischen Problemrahmung als weltweite „Überbevölkerung“, die durch gnadenlose Verelendung und gar physische Vernichtung von (vor allem als nicht-weiß gekennzeichneten) „Überflüssigen“ zu lösen sei. Elemente dieser extremen Haltung – neben der immer wieder geübten Verleugnung der Klimakrise – würde die Alternative für Deutschland (AfD) in die breite politische Debatte eintragen, wobei jedoch auch in etablierten demokratischen Parteien seit jeher eine große Ignoranz bis Duldung in Fragen der Wachstums- und Raubbauwirtschaft sowie der Industrie- und Umweltschäden-Auslagerung in ferne Länder vorherrschten.

Salheiser und Richter versuchen in ihrem „parteiischen, in manchen Teilen diskutablen Buch“, wie Salheiser dessen bei aller sozialwissenschaftlichen Breite notwendig fokussierte und auch politisch links zu verortende Perspektive kritikfähig beschreibt, dem schwer Greifbaren einen Begriff zu geben. Der Leitbegriff dieses Versuchs, eben der Klimarassismus, speist sich aus der strategisch angelegten „Diskursfusion“ der sozialökonomisch grundierten Kapitalismuskritik, den wachstumskritischen Positionen der Klimabewegung und den neueren, oft als „Identitätspolitiken“ bezeichneten Emanzipationsbestrebungen zahlreicher Gruppen und Milieus innerhalb der Gesellschaft.

Den Klimarassismus in diesem Komplex definiere letztlich die politische bis anti-demokratische Befürwortung von menschengemachter sozioökonomischer Ungleichheit und im gleichen Atemzug die Inkaufnahme und gar aktive Herbeiführung einer stärkeren Belastung der ohnehin schon Benachteiligten mit den Folgen des menschengemachten Klimawandels. Beide Elemente verbinde dabei grundlegend die Ausbeutung und Abwertung im weitesten Sinne „fremder“, „ferner“ Menschengruppen, welche Salheiser und Richter vor allem entlang des historisch gewachsenen kolonialistischen Rassismus lokalisieren. Insbesondere sehen sie die Trennung des dominanten „Globalen Nordens“ und des unterlegenen „Globalen Südens“ empirisch nach wie vor in einem Abwertungsverhältnis der Hautfarben Weiß und Schwarz gespiegelt. Wobei „Weiß-Sein“ bei ihnen tendenziell mit „Reich-Sein“ und „Mann-Sein“ und damit per se als Kennzeichen gesellschaftlicher Dominanz gewertet wird.

Mit diesem Zugang gelang es den beiden Autoren nicht vollends, das etwa 30 Interessierte zählende Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Doch wurde breite Zustimmung geäußert, dass die Lösung der angerissenen Problemkomplexe nicht nur die eigene persönliche Verhaltensänderung zum Beispiel beim Konsum, sondern eben auch die zielgerichtete Änderung der systemischen ökonomischen und sozialen Strukturen auf demokratischer Grundlage erfordere.