60 Jahre Bausoldaten – Besonderheiten einer Tagung
Das Thema Bausoldaten sei nun wirklich ausgeforscht oder gar überforscht, heißt es manchmal in der Wissenschaft. Denn über diese Anomalie der DDR-Militärgeschichte sei genug geschrieben und gesprochen worden. Doch dann gibt es dazu doch wieder neue Forschungsprojekte.
Aller fünf Jahre erwacht zudem das öffentliche Interesse. Dann, wenn ein Jubiläum der „Bausoldatenanordnung vom 7. September 1964“ ansteht, berichten regionale und überregionale Medien. So war es auch zum 60. Jubiläum.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand dabei die ausgebuchte Akademie-Tagung „60 Jahre Bausoldaten. Zeugnis – Zivilcourage – Diskriminierung“. Drei Dinge machten sie besonders: Wissenschaft und Zeitzeugen kamen überaus wertschätzend ins Gespräch bei der erstmaligen Präsentation der Forschungsergebnisse des Jenaer Projekts „Diskriminierung von Christen in der DDR: Bausoldaten – Totalverweigerer – Jugendliche im Widerstand“. Und als sechs junge Studentinnen aus Siegen im Erzählcafé auf zwei über 80-Jährige Bausoldaten der ersten Jahrgänge trafen, über die sie in einem Seminar gearbeitet hatten, empfanden das viele als Sternstunde.
Außergewöhnlich war auch der in weiten Teilen nachdenkliche Charakter der Tagung. Immer wieder kamen in Gesprächen, beim Lesen autobiographischer Texte, in einem Konzertgespräch oder im Gottesdienst eigene Diskriminierungserfahrungen aus der Bausoldaten- und DDR-Zeit zur Sprache, die die Waffendienst- und Wehrdienstverweigerer machen mussten. Die Jüngsten unter ihnen sind jetzt Mitte 50.
Bemerkenswert engagiert wurde schließlich die Frage nach Krieg und Frieden heute diskutiert. In gespannter Atmosphäre debattierte der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer mit Ralf Haska, 2009-2015 Pfarrer in Kyiw. In der Sache konträr positioniert zeigten die beiden ehemaligen Bausoldaten, wie man fruchtbar streiten, ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben kann. Das Auditorium reagierte wiederholt mit Beifallsbekundungen – mit leichtem Vorteil für Kramer. Persönliche Angriffe, wie in solchen Diskussionen mittlerweile gang und gäbe, blieben Tabu.
Ebenso aufmerksam verfolgten die Teilnehmenden das Abschlusspodium „Russland, Belarus, Ukraine: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer“. Im Gottesdienst zuvor war reichlich gespendet worden für die „Bewegung für Kriegsdienstverweigerung in Russland.“ Schön, aber kein Wunder. Denn das individuelle Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ist unter Waffen- und Wehrdienstverweigerern unstrittig.
Veröffentlicht am 13. September 2024