Solidarität in der politischen Bildung
Die Lage vieler Träger und Akteure in politischer Bildung, zivilgesellschaftlichem Engagement und Demokratiebildung ist derzeit schwierig bis desolat. Fehlende Haushalte und Übergänge in großen Förderprogrammen wie „Demokratie leben!“ treffen auf zunehmenden politischen Druck und unsichere Regierungskonstellationen – in Thüringen wie im Bund.
Es gab also viel zu besprechen bei der Veranstaltung „Über den Winter kommen. Solidarisierung in der politischen Bildung“ am 28. November im Erfurter Zughafen. Eingeladen hatte die Akademie gemeinsam mit dem Netzwerk für Demokratiebildung Thüringen, dem Bildungswerk ver.di Thüringen e.V. und der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen, um die aktuelle Lage zu analysieren und gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen, um Bildung für Demokratie und friedliches, vielfältiges Miteinander krisenfest(er) zu machen.
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit zwei Erfahrungsberichten aus Situationen, wie sie manche in Thüringen (be)fürchten. Özcan Karadeniz, ehemaliger Geschäftsführer des Dachverbands Sächsischer Migrant*innenorganisationen, berichtete, wie immer mehr Rückforderungen vom Landesrechnungshof zur Insolvenz seiner Organisation geführt hatten. Er sprach davon, dass es durchaus kleinere, technische Fehler bei der Bewirtschaftung der Fördermittel gegeben habe, die zweifelsfrei zu beanstanden waren. Allerdings habe es in dem Verband auch viel Engagement für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie gegeben und keinerlei kriminelle Energie. Die Beanstandungen und Rückforderungen seien überzogen gewesen. Er sprach von einer „politisierten Bürokratie“, die gegen die migrantischen Organisationen gearbeitet habe. Unterstützer:innen in Politik und Zivilgesellschaft seien zudem im vorauseilenden Gehorsam vor einem immer weiter nach rechts rückenden Zeitgeist eingeknickt und hätten Hilfe vermissen lassen.
Nicht weniger bedrückend war der Bericht von András Nyirati, Präsident der Power of Humanity Foundation, der aus Ungarn zugeschaltet wurde. Er berichtete, wie die ungarische Regierung systematisch politische Bildung und Zivilgesellschaftliches Engagement verhindert. Staatliche Unterstützung dieser Arbeit gibt es in Ungarn gar nicht, ein Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verhindere politische Bildung in der Schule weitestgehend und Fördergelder aus dem Ausland anzunehmen werde kriminalisiert – sogar wenn sie von der Europäischen Union stammt. Sein Input trug daher auch den Titel „How to work with acitve citizenship, democracy and community in a hostile enviroment“ also „Wie man aktive Zivilgesellschaft, Demokratie und gesellschaftliches Engagement in einer feindlichen Umgebung möglich macht“. Und so zeigte er, was er und viele Ehrenamtliche dennoch leisten. Bewährte Strategien seien junge Menschen in Zivilgesellschaft einzubinden, Bürger*innenbeteiligung zu fördern, Zusammenarbeit von Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu forcieren und Gamebased Learning zur Sensibilisierung einzusetzen.
Am Nachmittag widmeten sich die Teilnehmenden dann neuen Wegen, um Zivilgesellschaftliche Arbeit und politische Bildung zu finanzieren. Themen waren Crowdfunding, Fundraising und alternative Modelle der internen Bezahlung.
Julia Lange, Koordinatorin des Netzwerks Demokratiebildung in Thüringen, fasste als ihre Beobachtung des Tages die folgenden Begriffe zum Abschluss zusammen, die helfen können, um über den Winter zu kommen: Geduld, Wärme, Solidarität, Wertschätzung, Zuversicht und Inspiration.
Veröffentlicht am 04. Dezember 2024