Kirchenrätin Katharina Passolt bei der Andacht in der Nikolaikirche. Foto: EAT
Feierliche Einsegnung. Foto: EAT
„Politische Jugendbildung ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt Axel Große über sich. Seit Mai ist er der Studienleiter für die Jugendbildungsstätte Junker Jörg in Eisenach. Am vergangenen Freitag folgte nun die offizielle Einführung in seinen Dienst in der Wartburg-Stadt.
Verbunden wurde der feierliche Anlass mit der Abschlusspräsentation der ersten DDR-Projektwoche, die Axel Große im Junker Jörg vergangene Woche leitete. Auf der einen Seite gleich eine doppelte Premiere! Denn in der Woche wurde das „Allersleben. Ein Biografiespiel zum Erwachsenwerden in der DDR“ erstmals eingesetzt. Auf der anderen Seite aber auch eine eingespielte Projektwoche. Denn es handelte sich um eine Ost-West-Begegnung mit Schülerinnen und Schülern des Ernestinums in Gotha und des Casimirianums Coburg, die bereits eine lange Schulpartnerschaft mit mehreren gemeinsame Projektwochen in Eisenach verbindet, die Axel Große auch schon früher für die Akademie begleitete.
Im Rahmen der Projektwoche schlüpften die Jugendlichen im Spiel „Allersleben“ in die Rollen von 8. Klässlern einer Polytechnischen Oberschule im fiktiven Örtchen Allersleben. Welche Entscheidungen mussten Jugendliche damals treffen? Welche Rolle spielte der SED-Staat dabei? Was unterschied das Erwachsenwerden in der DDR der 1980er Jahre vom Aufwachsen heute? Diesen Fragen näherten sich die Jugendlichen spielerisch. Ergänzt wurden die Einsichten durch Dokumentarfilme, den Besuch der Gedenkstätte Andreas-Straße und ein Zeitzeugengespräch. Bei der Abschlusspräsentation bekamen die Jugendlichen viel Applaus für die Einblicke in ihre Zeitreise in die DDR und Axel Große viel Zuspruch für seinen Dienst in der Jugendbildungsstätte.
Man könnte meinen: Haben die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht andere Probleme als sich jetzt mit Kunst und Kultur zu beschäftigten? Diese Frage, zu Anfang des 4. Online-Studientags der Evangelischen Akademien zur Friedensethik provozierend in den Raum gestellt, wurde anschließend in zwei Diskussionsrunden ad absurdum geführt.
Allein dass Russland gezielt Kulturgüter und Kirchen angreift zeigt, welchen Stellenwert beide haben. Aktuelle ukrainische Kunst sei ein Teil des Lebens unter diesen Bedingungen, so Yulia Hnat (Co-founder, Museum of Contemporary Art, Kyiv) im ersten Teil der Veranstaltung. Sie frage doch auch nicht, „ob eine Pflanze wächst – und sie wächst“. Die Osteuropahistorikerin Dr. habil. Anna Veronika Wendland zeigte sich beeindruckt von der Fülle an Kreativität zeitgenössischer ukrainischen Kunst. Auf der Folie eines Vernichtungskriegs sei die Kunstproduktion gegen Vernichtung gerichtet. Dr. Lyudmila Tymoshenko (Soziologin, Autorin, Dramatikerin, Kyiv), die momentan am Schauspiel Stuttgart arbeitet, fasste das Ziel ihrer Arbeit so zusammen: Sie wolle die Verbindung zwischen den Zuschauern und den Menschen in der Ukraine herstellen. Besucher reagierten aufgelöst, schockiert, schon bei einer Geschichte über den Alltag in der Ukraine. Im Theater schalte man nicht überdrüssig um oder weg, sondern höre die ganze Geschichte.
Prof. Dr. Constantin Sigov verschränkte im zweiten Teil die kulturelle und religiöse Dimension. Der ukrainische Religionsphilosoph und Verleger führte aus: Wir müssen unsere Soldaten im Schützengraben nicht fragen: Braucht ihr Brot? Braucht ihr Kleidung? Beides haben sie. Wir fragen sie: Welche Bücher braucht ihr? Gebraucht würden jetzt zudem Gebete und Taten und eine klare Religionskritik des Putinismus.
Kontrovers diskutierten anschließend der bayrische Landesbischof und ÖRK-Vorsitzende Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm auf der einen sowie Prof. Sigov und Pfarrer Bogdan Luka (Ukrainisch griechisch-katholische Kirche Dresden und Leipzig) auf der anderen Seite. Letztere beschrieben die Russisch-Orthodoxe Kirche in ihrer Spitze als politisch komplett korrumpiert. Bogdan Luka hielt auch Teile der Ukrainischen Orthodoxen Kirche für sowjetisch geprägt und ihre neue Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat für unglaubwürdig. Heinrich Bedford-Strohm sprach sich für einen Verbleib der Russisch-Orthodoxen Kirche im ÖRK und weitere Gespräche – auch zwischen den beiden großen orthodoxen Kirchen der Ukraine – aus, an denen er beteiligt ist. Er erwarte überdies auch nicht, dass sich Patriarch Kyrill morgen von Putin lossage, so der ÖRK-Vorsitzende. Aber er hoffe und erwarte, dass sich Menschen durch Gespräche ins Nachdenken bringen lassen.
Über 100 Teilnehmende wurden so Zeugen und per Chat und Wortmeldungen Teil hochaktueller Diskussionen bei einem überaus dichten, informativen und anregenden Online-Studientag.
Einführung in die Tagung durch Akademiedirektor Sebastian Kranich
Gladiolen zum 65. Geburtstag bekam der ehemalige Akademiedirektor Dr. Thomas A. Seidel mit seiner Frau Cornelia von Ministerpräsidentin a.D. Christine Lieberknecht überreicht
Tagung Kirche. Politik. Medien: Podiumsdiskussion
Abschlusskonzert mit Stephan Krawczyk in der Brüderkirche
Ein Katholik machte den Auftakt im Vortragsreigen: Zu Beginn der Tagung „Kirche. Politik. Medien. – Relevanzverluste und Bedeutungsgewinne“ vom 15.-16. September meinte der Politologe Klaus Dicke: Die Politik müsse sich fragen, was verloren ginge, wenn es keine Kirchen mehr gäbe – an Bildung, in Kultur, im Sozialen, an ethischer Orientierung. Denn der Wind sei rauer geworden und das gesamtgesellschaftliche Verhältnis zur Religion „schizophren“. Viele wollten sie vom Platz fegen, zugleich steige die Nachfrage nach dem Religiösen. Gegen die Gefahr von Resignation und der Flucht in Autoritäten sei eine Theologie der Freiheit gefordert. Diese habe davon auszugehen, dass Freiheit ein Geschenk sei und es keine Freiheit ohne Bindung gäbe.
Der sächsische Diakoniechef Dietrich Bauer markierte anschließend die freie Wohlfahrtspflege als Säule des Sozialstaats und als wichtiges Element der Demokratie. Die Diakonie nehme sozialpolitisch Partei für Familien, Kranke und Wohnungslose und sei wichtig für eine lebendige Demokratie durch ihre vielfältige ehrenamtliche Arbeit, die z.B. in Hospizen oder der Telefonseelsorge geleistet wird. Die Menschen suchten bei der Diakonie eine bestimmte Atmosphäre, einen bestimmten Geist. Dieser müsse gepflegt werden, auch oder gerade in der Konkurrenzsituation des sozialen Marktes.
Den Abendvortrag am Freitag hielt die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Sie sprach persönlich und erfahrungsgesättigt über christliche Existenz im Spannungsfeld von Kirche und Politik. Den Bogen spannte sie dabei entlang der Biografie des ehemaligen Akademiedirektors Dr. Thomas A. Seidel, der an diesem Tag 65 Jahre alt wurde, von den 1980er Jahren bis zur Gegenwart: Von Verweigerung und Opposition in der DDR, über die Neuaufbrüche der 1990er Jahre bis zum weiteren konstruktiven, kritischen, teils auch provokanten Agieren auf der Grenze von Kirche und Politik. Ein Agieren, in dem beide Bereiche zwar zu unterscheiden, aber in ihren vielen Berührungspunkten zu gestalten sind.
Der Samstagvormittag war der Friedensethik gewidmet. Der Systematische Theologe und Ethiker Reiner Anselm wehrte sich gegen eine Entgegensetzung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Beide Dimensionen müssten zusammengehen, wenn man die hergebrachten ethischen Modelle für eine – immer wieder notwendige – Weiterentwicklung der Friedensethik befrage. Deutlich kritisierte er die Rede von Dilemmata, bei denen alle Katzen grau seien und man zur Entscheidungsfindung auch die Münze werfen könnte. Stattdessen gelte es Kriterien zu entwickeln, nach denen zu entscheiden sei – in Fragen des Krieges wie der Medizin auch für das geringere Übel, das weniger Schlechte.
In den anschließenden Gesprächsgruppen ging es recht kontrovers zu, ebenso auf dem vom Thüringer MDR-Chef Boris Lochthofen moderierten Podium am Samstagnachmittag zu Funktion und Wandel der Medien. Letzteres war den Überzeugungen der Diskutanten aber auch deren Generationenunterschied geschuldet. Drei spannende Diskussionspunkte waren: Wie verträgt sich die hohe Vielfalt und Pluralität der Medien mit dem Vorwurf von „Meinungskorridoren“? Kann man Emotionsspiralen überhaupt entgehen, wenn der nächste Shitstorm nur zwei Klicks entfernt ist? Und: Die Medien sollen den Politikern auf die Finger gucken. Doch wenn sie es dann tun, wird schnell der Kampagnen-Vorwurf laut!
Zum Finale machte sich der Liedermacher Stephan Krawczyk beim Konzertgespräch in der Brüderkirche seinen Reim auf Leben, Liebe, Religion, Politik und Medien. Ohne Gitarre und Bandoneon rezitierte er dabei den Text: „Ich sitz auf meinem Iphone Thron wie ein moderner Gottessohn. Ich hab die Welt in meiner Hand und bin von ihr gebannt.“
Podiumsdiskussion: Der Mensch hinter der Uniform; Foto U. Wollenhaupt-Schmidt, EAT
Podiumsdiskussion: Der Mensch hinter der Uniform, Foto U. Wollenhaupt-Schmidt, EAT
Die Vorworte im Katalog zur Ausstellung „Der Mensch dahinter“ klingen dramatisch. Michael Hecht, Geschäftsführer der Erfurter und Süd-Thüringen Bahn, schreibt: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begegnen in ihrem täglichen Dienst seit einigen Jahren verstärkt den verschiedensten Formen von Anfeindungen, Übergriffen, verbalen und tätlichen Attacken.“ Der Thüringer Innenminister Georg Maier beobachtet, „dass sich Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte“ manchmal fast „zu einem sportlichen Wettkampf entwickelt hat.“
Ist es wirklich so heftig? Zu Beginn des Podiums „Der Mensch hinter der Uniform“ am 13. September im Collegium Maius Erfurt wurde dieser Eindruck bestätigt. Polizeihauptkommissar Thomas Scholz aus Eisenach und die Leiterin des Ordnungsamtes Weimar, Ute Stoll, sagten: Ja, die Aggressionen haben quantitativ wie qualitativ zugenommen. Letztere ergänzte dazu: Vor einiger Zeit hätten Menschen bei Auseinandersetzungen noch eine gewisse Distanz gewahrt. Jetzt würden sie – thüringisch gesprochen – ihren Leuten richtig „auf die Pelle“ rücken.
Eine Erklärung für diese Entwicklung bot der Präsident des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Dr. Klaus von der Weiden an: Hätten viele früher als Untertanen ungut vor Uniformen gekuscht, so sei das Pendel nun in Richtung Rücksichtslosigkeit und Egozentrik ausgeschlagen. So würden auch Rettungskräfte oder Feuerwehrleute angegriffen, einfach weil sie einem im Weg oder hinderlich seien.
Kontrovers wurde darüber diskutiert, ob und inwiefern Uniformen ihre Träger schützen, oder sie geradezu zum Ziel von Aggressionen machen. Auf jeden Fall stecke dahinter immer ein Mensch, der ohne Ansehen der Person Dinge zu tun und durchzusetzen habe, der aber dennoch ein Mensch mit eigenem Charakter bleibe.
Die Vielfalt dieser Charaktere zeigt die Ausstellung „Der Mensch dahinter“ noch bis zum 29. September. Sie kann montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr im EKM-Landeskirchenamt in Erfurt, Michaelisstr. 39, besucht werden.
Einmal im Jahr lädt der Bundespräsident Engagierte aus ganz Deutschland zum Bürgerfest ins Schloss Bellevue ein. In diesem Jahr war Thüringen Partnerland und durfte sich kulinarisch, kulturell und zivilgesellschaftlich im Park vor dem Schloss präsentieren. Unter den Gästen war auch die Akademie vertreten: Dr. Annika Schreiter war für Bubble Crasher eingeladen.
„Dieses Fest ist immer auch eine Ermutigung für all diejenigen, die sich in unserem Land engagieren, die sich für andere einsetzen. Und ich kann Ihnen sagen: Diese Ermutigung, die brauchen wir gerade so dringend wie lange nicht,“ sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede. Und so wurde es ein Fest der Ermutigung mit vielen guten Begegnungen, Gesprächen und guter Unterhaltung und Verpflegung. Aus Thüringen mit dabei waren außerdem u.a. Landesbischof Friedrich Kramer oder der Verein Weimarer Republik e.V..
Projektwoche mit der Jenaplanschule Jena, Fotos: Axel Große, EAT
Projektwoche mit der Jenaplanschule Jena, Fotos: Axel Große, EAT
Projektwoche mit der Jenaplanschule Jena, Fotos: Axel Große, EAT
Projektwoche mit der Jenaplanschule Jena, Fotos: Axel Große, EAT
„Die Schule der Gottlosigkeit“ Von Welterlösungsideen zu totalitären Paradiesentwürfen. Unter dieser Überschrift beschäftigten sich 22 Jugendliche von insgesamt 107 Schülerinnen und Schülern in einer von sechs Arbeitsgruppen eine Woche lang mit „bösem Denken“. Geleitet wurde die Gruppe von Axel Große, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Thüringen. „Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben“ sagt Mephisto in Goethes Faust. Nicht erst das 20. Jahrhundert ist eine Geschichte voller Abgründe. Philosophisch und praktisch gestützt auf die Aufklärung, verstanden sich die großen Ideologien dieser Zeit weitgehend als Wege radikaler menschlicher Autonomie. Gottes Stelle besetzte der Mensch selbst. Dabei fällt auf, dass gerade dann je eine fatale Un-Heils-Geschichte in Gang gesetzt wurde, wo auf irdische Paradiese zum Wohle aller abgezielt worden war.
Woran scheitern solche Utopien? Bleibt die „bessere Welt“ leider unerreichbar? Gibt es so etwas wie intellektuelle Denkfehler der Geschichte, eine „Intelligenz des Bösen“, die quasi zwangsläufig in Sackgassen enden? Es war eine heiße Woche, denn nicht nur aufgrund der hochsommerlichen Temperaturen kamen die Jugendlichen ins Schwitzen. „Denken ist anstrengend!“ stöhnten einige und dass es auf viele Fragen auch viele Antworten gab und wenig dabei eindeutig „falsch“ oder „richtig“ war, hat die Jugendlichen zudem überrascht. Die Abschlusspräsentation (siehe Fotos) in gewohnt hoher kreativ-künstlerischer Manier, fasste die „Denk“-Ergebnisse der Tage dann auch wunderbar zusammen.