Evangelische Akademie Thüringen

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Dampf, Qualm, Geruch - Kirche in der DDR

  • Die Einladung zu "Bilder tauschen" nahmen sowohl jüngere als auch ältere Menschen an. Foto: © EAT
    Die Einladung zu "Bilder tauschen" nahmen sowohl jüngere als auch ältere Menschen an. Foto: © EAT
  • Beeindruckend: das Filmprojekt der Schülerinnen und Schüler der Ev. Gemeinschaftsschule Erfurt (li: Lehrer M. Ulonska). Foto: © EAT
    Beeindruckend: das Filmprojekt der Schülerinnen und Schüler der Ev. Gemeinschaftsschule Erfurt (li: Lehrer M. Ulonska). Foto: © EAT
  • Bei der Podiumsdiskussion sprachen (v.l.n.r.) Prof. Dr. C. Spehr, I. Junkermann, Dr. Sebastian Kranich und Dr. Susanne Böhm. Foto: © EAT
    Bei der Podiumsdiskussion sprachen (v.l.n.r.) Prof. Dr. C. Spehr, I. Junkermann, Dr. Sebastian Kranich und Dr. Susanne Böhm. Foto: © EAT

Anders als zwischenzeitlich gedacht verlief die Tagung „Bilder tauschen – Kirche in der DDR“. Nicht das Programm, die Stimmung hatte sich geändert: Lange hatten sich die Vorbereitungen auf 30 Jahre 1989 missmutig und müde dahingeschleppt und ließen einen gemäßigten Austausch erwarten. Aber auf einmal schlugen die Wellen hoch. Heftig wird jetzt um die Friedliche Revolution und den Anteil der Kirchen daran gestritten.

Auslöser war eine Wortmeldung des Religionssoziologen Detlef Pollack: Die Kirchen wären lediglich Kristallisationspunkte für Protest gewesen und viele Vertreter der oppositionellen Gruppen hätten die DDR-Bevölkerung verachtet. An Pollack kam so kein Referierender vorbei. Dr. Sebastian Kranich zeigte die Ursprünge von Pollacks bereits im Juni 1989 aufgestellter Behauptung auf. Prof. Friedemann Stengel schärfte ein: Auch in der Wissenschaft gibt es keine Neutralität. Prof. Martin Sabrow sprach schließlich von einem Kampf um die Deutung. Jede und jeder hat seine Agenda und Zeitgeschichte ist nicht ohne Wertung zu haben.

Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Veronika Albrecht Birkner „Freiheit in Grenzen. Protestantismus in der DDR“ wurde Propst i. R. Heino Falcke deutlich: Am schlimmsten sei der Verführer in der Kirche – so sein Urteil über den Berliner Theologieprofessor Hanfried Müller, der die „Sieben Sätze von der Freiheit der Kirche zum dienen“ vor Veröffentlichung der Stasi zur Beurteilung vorgelegt hat. Müller habe versucht, die Kirche in die Anpassung zu verführen. Zugleich wurde aus geschichtswissenschaftlicher Sicht gesagt: Die Fixierung auf den Geheimdienst und die Figur des Verräters ließ allzu lange die Verantwortung der SED für die Diktatur in den Hintergrund treten.

Doch ging es in der Tagung nicht allein um Geschichtsbilder und Politik. Vielmehr kamen die eigenen Bilder und Erinnerungen an die Zeit der DDR, die Auswirkungen und Folgen von SED und Stasi auf den Alltag und den Einzelnen zur Sprache: Im Film und dem anschließenden Gespräch mit den jungen Machern (Evangelische Gemeinschaftsschule Erfurt) der Dokumentation „Evangelisches Christsein in der DDR und danach“; in der Literatur der DDR (PD Dr. Michael Ostheimer), etwa in Uwe Johnsons Erstlingswerk „Ingrid Babendererde“; in der Lesung einer Erzählung, in der sich eine schwangere Christin in der DDR einem Medikamententest unterwirft (Dr. Jutta Kranich-Rittweger); und nicht zuletzt in der Präsentation von Bildern aus der Zeit der Friedlichen Revolution und danach durch den Fotografen Harald Kirschner zur Vernissage der Ausstellung „Credo – Kirche in der DDR.“

Dazu kamen die intensiven Gespräche zwischen den Nachgeborenen und Zeitzeugen aus West und Ost. Klar wurde: Die Zeitgenossen können die DDR noch riechen und schmecken. Sie hat sich in das (Körper)gedächtnis eingegraben. Doch für jeden riechen und schmecken die DDR und die Kirche in ihren Grenzen etwas anders. Auserinnert oder ausgeforscht sind sie nicht – das wurde beim Abschlusspodium mit Dr. Susanne Böhm, Altbischöfin Ilse Junkermann und Prof. Christopher Spehr nochmals deutlich.

Fazit: Die Geschichte qualmt noch. Nur die Perspektiven der Vielen ergeben ein Bild. Ganz nebenbei: Das blaue Bild der AFD wollte niemand teilen.