Evangelische Akademie Thüringen

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"Deserta" - Literaturgottesdienst zum Tag der Befreiung

  • Für den Literaturgottesdienst am 8. Mai öffnete die Michaeliskirche in Erfurt ihre Pforten. Foto: © Sabine Zubarik/EAT
    Für den Literaturgottesdienst am 8. Mai öffnete die Michaeliskirche in Erfurt ihre Pforten. Foto: © Sabine Zubarik/EAT
  • Der Autor Christian Meyer-Landrut liest ergreifende Textausschnitte aus seinem Buch "Deserta". Foto: © Sabine Zubarik/EAT
    Der Autor Christian Meyer-Landrut liest ergreifende Textausschnitte aus seinem Buch "Deserta". Foto: © Sabine Zubarik/EAT

Es ist ein sonniger und warmer Tag in Erfurt. Draußen macht sich Corona-Lockerungsstimmung breit. Die Aktion „Gold statt Braun“ lässt Kultureinrichtungen in Erinnerung an das Ende des zweiten Weltkrieges erglänzen.

In die Michaeliskirche fällt das Licht gedämpft. Es ist kirchenkühl. Zum Literaturgottesdienst am 8. Mai haben sich um 19 Uhr an die 30 Besucher versammelt. Ein zweiter Gottesdienst eine Stunde später wird ebenso gut besucht sein.

Die Glocken läuten. Der Gottesdienst beginnt. Die Stimmung ist konzentriert. Gefeiert wird das Ende der nationalsozialistischen Diktatur. Gedacht wird der 65 Millionen Toten dieses Krieges. Christian Meyer-Landrut liest aus „Deserta. Ich rufe dich bei deinem Namen.“ Es ist eine Auseinandersetzung mit dem vom Krieg gezeichneten eigenen Vater, niedergeschrieben für die Nachgeborenen – intim und politisch zugleich. Bilder werden aufgerufen und entstehen im Kopf, schmerzhaft, brennend, absurd; traurig, wüst, leer. Und dann, nach dem Krieg, das große Schweigen: „Alles ist stumm.“

Der Autor bringt das Schweigen zur Sprache, fragt nach dem, worauf es kaum Antworten gibt. Seine Lesung endet mit den Worten:
„Achi, diese tausend Jahre Krieg von 1939 bis 1945 waren kein Wimpernschlag. / Kinder, seid auf der Hut! / Der große Verwirrer, der Teufel, ist stets unterwegs … / Der Tod ist ein Meister aus Deutschland … / Lest Celan, trinkt die Schwarze Milch … / wehrt dem Vergessen, damit Europa ganz / und eure künftigen Kinder am Leben bleiben. / Nicht als Kindersoldaten im Morast marschieren. / Nicht in fremden Ländern dem Tod / entgegenfliehen.“

Darauf wird Fürbitte gehalten für alle, die das Grauen überlebt haben, für die Kinder und Enkel der Überlebenden, für die Menschen in den Kriegsgebieten und Flüchtlingslagern heute, für alle, die die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben und an Alternativen zum Krieg arbeiten.

Das Vaterunser wird gebetet, der Segen gesprochen: „Der Herr gebe dir Frieden“. Die Glocken läuten. Die Besucher verlassen den schützenden Raum.

Eine Videoaufzeichnung der Lesung fndet sich hier.