Evangelische Akademie Thüringen

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Kein Abschied vom Auto?

  • Gut 60 Tagungsgäste aus Unternehmen, Gewerkschaften, Politik, Verwaltung und Wissenschaft beteiligen sich an der Online-Diskussion zur Zukunft der Automobil- und Zulieferindustrie in Thüringen. Foto: © Kästner/EAT
    Gut 60 Tagungsgäste aus Unternehmen, Gewerkschaften, Politik, Verwaltung und Wissenschaft beteiligen sich an der Online-Diskussion zur Zukunft der Automobil- und Zulieferindustrie in Thüringen. Foto: © Kästner/EAT
  • Der klimafreundlichen Mobilität gehört die Zukunft. Ulrike Herrmann, taz-Wirtschaftsredakteurin, moderiert den Online-Augustinerdiskurs fachkundig und kritisch. Foto: © Kästner/EAT
    Der klimafreundlichen Mobilität gehört die Zukunft. Ulrike Herrmann, taz-Wirtschaftsredakteurin, moderiert den Online-Augustinerdiskurs fachkundig und kritisch. Foto: © Kästner/EAT

Auf globale Sicht wird es einen schnellen Abschied vom Auto wohl nicht geben, das wurde im Verlauf des Augustinerdiskurses am 3. Juni 2021 deutlich. Gut 60 Tagungsgäste aus Unternehmen, Gewerkschaften, Politik, Verwaltung und Wissenschaft beteiligten sich an der Online-Diskussion. Aber die Fahrzeuge werden sich in Zukunft wohl deutlich von denen unterscheiden, die wir heute kennen.

Beim Online-Augustinerdiskurs zu „Klimawandel, Corona und der Zukunft einer Schlüsselindustrie“ wurde lebhaft diskutiert: Den Disput zwischen Prof. Dr. Klaus Dörre, Soziologe an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, und Rico Chmelik, Geschäftsführer des automotive thüringen e.V., hat Ulrike Herrmann, Wirtschaftsredakteurin bei der taz, fachkundig moderiert.

Dabei verschränkten sich die Themen, wie in der Einladung schon angekündigt wurde: Wie kann der Verkehrssektor die absehbar strikteren Klimaziele erreichen? Die Branche sei mit den E-Autos auf dem richtigen Weg, so Rico Chmelik. Tempolimit? Einige Hersteller riegeln die Höchstgeschwindigkeit ihrer Fahrzeuge bereits ab, das Thema wird sich eher schneller erledigen. Wird E-Mobilität die Automobilindustrie transformieren? Auf jeden Fall, denn neue Geschäftsmodelle würden bereits ausprobiert, und Carsharing, Leasing oder Nutzung nach Bedarf, wenn für den gefahrenen Kilometer und nicht für das Auto gezahlt werde, würden wichtiger werden. Es sei allerdings noch nicht ausgemacht, wer diese Modelle steuere, entgegnete Klaus Dörre, denn die (Nutzungs- und Kunden-)Daten sammelten bislang hauptsächlich die amerikanischen Internetfirmen. Und die Hersteller könnten sich schlimmstenfalls in einigen Jahren als deren Zulieferer wiederfinden.

Die europäischen Hersteller müssten also ihren Platz in der Industrie neu bestimmen. Welche Auswirkungen hat das auf die Beschäftigten? Klaus Dörre ist skeptisch: Das Beschäftigungsmodell in Thüringen, das auf Niedriglöhne (33% unter dem Niveau im Westen Deutschlands) setzt, funktioniere nicht mehr. Rico Chmelik sieht die Branche hingegen gut aufgestellt, denn im Bereich der Komponenten, bei Interieur und Elektronik würden mehr Arbeitsplätze entstehen als verloren gingen. Das größere Risiko sei, dass aufgrund des demographischen Wandels dafür die Arbeitskräfte knapp würden. Worauf Klaus Dörre die Unternehmen aufforderte, mit Tarifbindung, Mitbestimmung und Qualifizierung der Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche zu sorgen.

An diesem Punkt waren sich beide Podiumsgäste einig: Es brauche eine strategische Industriepolitik, die der großen Bedeutung der Automobil- und Zulieferindustrie in Thüringen gerecht werde und für die Qualifizierung der Beschäftigten in Thüringen sorge. Denn anders seien die zukünftigen Herausforderungen, zu denen auch eine weitere Diversifizierung und Dekarbonisierung der Unternehmen gehört, nicht zu stemmen. Deutlich ist auch: Der klimafreundlichen Mobilität gehört die Zukunft, und von Fahrzeugen, die dazu nicht beitragen, werden wir uns verabschieden müssen.

Einen Mitschnitt des Online-Augustinerdiskurses finden Sie im Youtube-Kanal der Evangelischen Akademie Thüringen.