Evangelische Akademie Thüringen

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Thüringer Jahrestreffen Handwerk und Kirche 2023

Thüringer Jahrestreffen Handwerk und Kirche 2023. Foto: © Fehlberg/EAT
Thüringer Jahrestreffen Handwerk und Kirche 2023. Foto: © Fehlberg/EAT

Noch nicht ganz so alt wie die besondere Beziehung zwischen dem Handwerk und den Kirchen ist das Jahrestreffen zwischen ihnen. Auf dem Treffen kommen die Bischöfe der Thüringer Katholischen und Evangelischen Kirchen mit den Arbeitgebern der Thüringer Handwerkskammern sowie des Thüringer Handwerkstages zusammen.

Das gemeinschafts- und traditionsbewusste Handwerk, eröffnete der Präsident der Erfurter Handwerkskammer, Konditormeister Stefan Lobenstein, den Austausch, teile ähnliche Probleme wie die Kirchen. Dies machte er anhand von Fachkräfte- und Spezialistenmangel sowie Präsenzlücken vor allem im ländlichen Raum deutlich. Beide Institutionen spielten jedoch vor allem auch eine zentrale Rolle bei der positiven Bewältigung von gesellschaftlichen Herausforderungen, was mit den integrativen Rollen beider in der Migrationsfrage deutlich werde.

Der Bischof des Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, stellte die Vorbereitungen des Deutschen Katholikentages in Erfurt im kommenden Jahr 2024 in den Mittelpunkt. Das Leitwort lautet „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Psalm 37, 37). Mit etwa 500 geplanten Veranstaltungen werde die 103. Ausgabe der reisenden Veranstaltung kleiner ausfallen als in den Vorjahren. Im Bereich der schulischen Bildung, welche die Lernenden nicht zuletzt auf die Vorzüge und Möglichkeiten der handwerklichen Berufe für Stand- und Wohnort hinweisen solle, berichtete Neymeyr von zwei katholischen Schulprojekten in Erfurt sowie im Eichsfeld.

Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, knüpfte an seinen Vorredner nahtlos mit einem Bericht vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Karlsruhe 2022 an. Besonders gefreut habe ihn, dass sowohl eine russische als auch eine ukrainische Delegation nicht nur anreisten, sondern dass zwischen ihnen durchaus das gemeinsame Gespräch möglich gewesen sei. Auch wenn der Krieg in der Ukraine dazu verführe, andere (Glaubens-)Kulturen per se als „feindlich“ und „falsch“ auszublenden, so sei es in Karlsruhe gelungen, die Gemeinsamkeiten sichtbar zu machen. Kramer erinnerte vor dem Hintergrund der Migrationsfrage daran, dass gerade Geflüchtete aus der Ukraine zum Großteil einen christlichen Hintergrund hätten. Der Landesbischof pflichtete Stefan Lobenstein in der Ähnlichkeit mancher Problemlagen von Handwerk und Kirche bei, indem er den Mangel an Kräften in der Gemeindepädagogik und in der Pfarrstellenbesetzung vor allem im ländlichen Raum schilderte.

Kammerpräsident Lobenstein ging auf zahlreiche Hürden ein, die die unternehmerisch tätigen Führungskräfte unter den Handwerksleuten belasteten. Neben der starken Energie- und Materialpreissteigerung sei es immer wieder auch die Entlohnung der angestellten Handwerkerinnen und Handwerker sowie von Hilfskräften, welche einer der größten Kostentreiber sei. Mindestlohnsteigerung, Mindestausbildungsvergütung und überhöhte Lohnforderungen befeuerten eine regelrechte Lohn-Preis-Spirale der Inflation, die schädlich für das alteingesessene Handwerk sei. In dieser Lage an die Einrichtung und Allgemeinverbindlichkeit eines weiteren Feiertags zu denken, wie dies die Thüringer Landtagsvizepräsidentin Dorothea Marx für einen jüdischen Feiertag vorgeschlagen hatte, sei abwegig. Bei den Vertretern der beiden christlichen Kirchen traf Marx’ Vorschlag naturgemäß weniger auf entschiedene unternehmerische Interessenlagen als auf den Anspruch an eine zeitgemäße und respektvoll reflektierende Begründung religiöser Feiertage.

Auch wenn sich in manchen Punkten des gemeinsamen Austauschs durchaus unterschiedliche Standpunkte und Perspektiven zeigten, so war das Jahrestreffen Handwerk und Kirche von großer Offenheit und Herzlichkeit geprägt. Wer, wenn nicht zwei „alte“ und gereifte Institutionen, ist sich des verbindenden Wertes bewusst, den ein regelmäßiger Austausch über „Zunftschranken“ hinweg hat?