Evangelische Akademie Thüringen

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Thüringer Jahrestreffen Handwerk und Kirche 2024

  • Ort des Austauschs zwischen Handwerk und Kirche war in diesem Jahr das Haus der Versöhnung im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt. Foto: EAT/Fehlberg
    Ort des Austauschs zwischen Handwerk und Kirche war in diesem Jahr das Haus der Versöhnung im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt. Foto: EAT/Fehlberg
  • Geschäftsführer Thomas Malcherek, Präsident Stefan Lobenstein und Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Fachverbände Stefanie Spahr für den Thüringer Handwerkstag (Bildmitte, v. l. n. r.). Foto: EAT/Fehlberg
    Geschäftsführer Thomas Malcherek, Präsident Stefan Lobenstein und Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Fachverbände Stefanie Spahr für den Thüringer Handwerkstag (Bildmitte, v. l. n. r.). Foto: EAT/Fehlberg
  • Regionalbischof Tobias Schüfer und Landesbischof Friedrich Kramer für die Ev., Bischof Ulrich Neymeyr für die Kath. Kirche. Zudem Claudio Kullmann und im Vordergrund André Demut als Beauftragte der beiden Kirchen (rechts, v l. n. r.). Foto: EAT/Fehlberg
    Regionalbischof Tobias Schüfer und Landesbischof Friedrich Kramer für die Ev., Bischof Ulrich Neymeyr für die Kath. Kirche. Zudem Claudio Kullmann und im Vordergrund André Demut als Beauftragte der beiden Kirchen (rechts, v l. n. r.). Foto: EAT/Fehlberg

Was ist ein Handwerkergymnasium? Diese (aus-)bildungspolitische Frage lag am 15. Januar 2024 auf dem Tisch des Neujahrstreffens von Vertretern des Handwerks und beider Kirchen. Gegenstand des Austauschs sind auch allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in der Region.

Im Augustinus-Saal des Hauses der Versöhnung im Augustinerkloster Erfurt gab zuerst Stefan Lobenstein, Präsident des Thüringer Handwerkstages (THT), einen Lagebericht der Unternehmen. Es sei ein starker Rückgang der Nachfrage für Handwerksleistungen zu erwarten. Vor allem die Baubranche sei jetzt schon durch massive Auftragsrückgänge getroffen. Die Arbeitgeber sehen in investitionshemmender Bürokratie, hohen Lohnsteigerungen sowie in gewandelten Arbeitszeit-Bedürfnissen vieler Mitarbeitenden große Schwierigkeiten für die Unternehmen. Lobenstein betonte zudem, dass die berufliche Bildung in den letzten Jahren gegenüber der akademischen Bildung abgewertet und ins Hintertreffen geraten sei. Die unternehmerische Stimmung sei insgesamt „trübe“, so der THT-Präsident.

Unternehmerische Stimmung „trübe“

Von Kostensteigerungen auf dem Bau konnte anschließend Bischof Ulrich Neymeyr vom Bistum Erfurt berichten, als er auf Baumaßnahmen für die katholischen Schulen in Erfurt sowie in Heiligenstadt einging. Die Vorbereitungen für den Deutschen Katholikentag vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2024 seien indes vielversprechend angelaufen. Es werden 20.000 Gäste in Erfurt erwartet, ca. 500 Einzelveranstaltungen sind vorgesehen. Das Motto des Katholikentages, „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Psalm 37, 37), habe nichts von seiner Bedeutung verloren, so dass man sich der Wirkung und Ausstrahlung des Treffens sicher sein könne.

Friedrich Kramer, Landesbischof der EKM und damit der Gastgeber des Abends, gab den Zusammenschluss der Evangelischen Schulstiftungen bekannt. Seit Januar 2024 gebe es nun eine vereinte Schulstiftung der EKM. Die Landeskirche stellt einen Investitionsfonds für Baumaßnahmen der Schulen in Trägerschaft dieser Stiftung zur Verfügung. Die Evangelische Schulstiftung in Mitteldeutschland St. Johannes ist in drei Bundesländern aktiv, neben Sachsen-Anhalt und Thüringen auch im Nordwesten Sachsens.

Kirchen zwischen gesellschaftlichem Brückenbau und Pflicht zum Widerstand

Mit Ausblick auf das anstehende Wahljahr in Thüringen sowie angesichts der wachsenden Frustration und gegenseitigen Verächtlichmachung von Menschen unterschiedlicher Meinung vertrat Landesbischof Kramer einerseits die Linie einer seelsorgerlich und gesellschaftsdiakonisch motivierten Gesprächsbereitschaft. Andererseits müsse Widerstand gegen das zerstörerische Welt- und Menschenbild geleistet werden, das sich im gesellschaftlichen und im parteipolitischen Rechtsextremismus zeige. Dieses stehe dem christlichen Glauben und seiner Handlungsorientierung diametral entgegen. „Einem Christenmenschen kann die Gesellschaft nicht egal sein“, ergänzte Regionalbischof Tobias Schüfer, womit er auf breite Zustimmung der Anwesenden stieß.

Schließlich wurde auf Wunsch der Kirchen das Handwerkergymnasium thematisiert. Von der Handwerkskammer Erfurt initiiert, besteht dieser schulische Bildungsgang an mittlerweile vier berufsbildenden Schulen in Thüringen. Begonnen hatte alles 2016 an der Walter-Gropius-Schule in Erfurt. Durch die frühzeitige Integration von Teilen der Meisterprüfung werde den Schülerinnen und Schülern die Tür geöffnet, einen Handwerksberuf kennenzulernen und zu ergreifen.

Handwerkergymnasium – Thüringer Erfolgsmodell der Berufsorientierung

So sei es mit dem „Handwerksabitur“ möglich, weitere Schritte der betriebswirtschaftlichen und handwerklichen Ausbildung schneller als gewöhnlich zu absolvieren. Absolventen erhielten neben den üblichen Abschlusszeugnissen eine zusätzliche Beurkundung ihrer Leistungen ausgehändigt. Auch wenn nicht alle anschließend ins Handwerk einstiegen, so sei das Handwerkergymnasium doch ein Erfolgsmodell, weil es die Schwelle der Entscheidung für eine berufliche Ausbildung senke.

Die Kirchen zeigten großes Interesse, sich auch in ihren Bildungsangeboten davon inspirieren zu lassen, wobei die regionale Verwurzelung schulischer Bildung als Gemeinsamkeit von Handwerk und Kirche festgehalten wurde. Das Thüringer Projekt, die Handwerksberufe als Bildungs- und Berufsperspektive zu stärken, weckt zunehmend auch in anderen deutschen Bundesländern Interesse. Es ist diesem Thüringer Modell sehr zu wünschen, so der Tenor des Jahrestreffens, dass es weit über das Land hinaus buchstäblich Schule machen möge.

Das Jahr beginnt traditionell mit dem Spitzentreffen der Thüringer Katholischen und Evangelischen Kirchen sowie der Arbeitgeber des Thüringer Handwerkstages. Gastgeberin des diesjährigen Treffens war die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM).