Evangelische Akademie Thüringen

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Tote küssen? Zu Gast im religionspädagogischen Hauptseminar

Projekttag des religionspädagogischen Hauptseminars zu Tod und Sterben an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Projekttag des religionspädagogischen Hauptseminars zu Tod und Sterben an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Es ist ein Tabuthema. Krass, wie unterschiedlich damit umgegangen wird: Manche reden gar nicht darüber, andere durchaus. Und: Was mache ich, wenn ein Elternteil einer Schülerin oder eines Schülers stirbt? Oder gar ein Kind aus meiner Klasse? Oder: Ich habe ein FSJ im Krankenhaus gemacht und war schon mit dem Thema konfrontiert. Schließlich: Irgendwann müssen wir uns damit auseinandersetzen, was passieren kann, was passieren wird.

Schon die Eröffnungsrunde beim Projekttag des religionspädagogischen Hauptseminars zu Tod und Sterben an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 1. Juni hatte es in sich. Und auch im Fortgang brachten die angehenden Religionslehrerinnen und Religionslehrer ihre persönlichen Erfahrungen und fachspezifischen Fragestellungen zu diesem existentiellen Thema ein.

Auf Einladung von Prof. Dr. Michael Domsgen stellte Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich als Mitautor des Buches „Vom Umgang mit der Todesangst. Empirische Untersuchungen und ihre praktische Relevanz“ die Entwicklung des menschlichen Todeskonzepts, unterschiedliche Einstellungen zu Sterben und Tod, vor allem aber den kreativen und oft religionsproduktiven Umgang mit dem Ende des irdischen Lebens vor. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung in einer ostdeutschen Großstadt ist: Wenn Menschen Vorstellungen und Bilder über den Tod hinaus entwickeln, seien sie konfessionell oder nichtkonfessionell, sind es Bilder der Hoffnung, Bilder von Heil.

Irritation bei den Studierenden lösten zunächst einige Fragen des Schweizer Schriftstellers Max Frisch zu Sterben und Tod aus: „Haben Sie schon Tote geküsst?“ – Ist das nicht nekrophil? „Haben Sie Freunde unter den Toten?“ – Wie soll ich mit jemandem befreundet sein, der schon tot ist?

Daraufhin entspannen sich interessante Gesprächsgänge. Eine Studentin berichtete von einer Abschiedssituation, in der der Verstorbene noch einmal auf die Stirn geküsst wurde. Und hinter der Frage nach der Freundschaft zeigte sich eine umfassendere: Wo sind unsere Toten? Welche Beziehung zu Ihnen haben und pflegen wir?

Der Liedermacher Wolf Biermann dichtete: „Wie nah sind uns manche Tote, doch wie tot sind uns manche, die leben“.