Evangelische Akademie Thüringen

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Von Scheinriesen und zarten Pflänzchen

Foto: Buchcover ©LIT-Verlag
Foto: Buchcover ©LIT-Verlag

Beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland sind Aufgabenfelder angesiedelt, die sich in anderen Landeskirchen auf verschiedene Funktionsstellen verteilen und dort unter größerem Einsatz von Ressourcen bearbeitet werden können. In der EKM ist das Arbeitsfeld zudem mit der Studienleitung Arbeit und Wirtschaft an der Evangelischen Akademie Thüringen verknüpft. Die strukturelle Konzentration – und damit zugleich manche Synergie und Leerstelle – ist gewollt und hat sich in den vergangenen zehn Jahren vollumfänglich bewährt. Diese Beurteilung schließt allerdings auch die Erkenntnis ein, dass die begrenzten Ressourcen die Bäume nicht in den Himmel wachsen lassen.

Gerade weil die Werte und die Kultur, die in vielen Unternehmen gelebt werden, mit christlichen Werten in Konflikt stehen können, bedarf es des Engagements kirchlicher Akteure in der Arbeitswelt. Sie können ethische Orientierung einbringen, setzen sich für Schwache und Benachteiligte ein und stärken die Christinnen und Christen am Arbeitsplatz. Dabei sind Arbeitnehmer:innen ebenso wie Arbeitgeber:innen im Blick. Diese Aktivitäten haben den Charme, dass sie gleichermaßen Mitglieder als auch Nichtgläubige erreichen können.

Die große Chance liegt in der Kombination von Kirchlichem Dienst in der Arbeitswelt und Akademiearbeit. Denn so erhält der KDA tatkräftige Unterstützung bei der Veranstaltungsorganisation und kann Kontaktpersonen aus Betrieben und Verbänden in Diskursveranstaltungen der Akademie einbinden. Themen, die bei Betriebsbesuchen (so z.B. beim Hersteller medizinischer Hilfsmittel Bauerfeind oder beim Entsorger Remondis) offenkundig werden, können anschließend auf Podien oder Tagungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert werden.

Mit dem Projekt „5000 Brote – Konfis backen Brot für die Welt“ werden seit 2014 die Verbindungen zwischen Kirchengemeinden und Bäckerhandwerk gestärkt: Konfirmand:innen backen in lokalen Bäckereien Brote, die in ihrer Gemeinde gegen Spenden abgegeben werden. Mit den Erlösen werden Projekte von Brot für die Welt im globalen Süden unterstützt. Der Austausch mit Handwerker:innen und Unternehmer:innen wird insbesondere im Rahmen der lokalen Arbeitskreise Handwerk und Kirche sowie den Vereinigungen evangelischer Unternehmer:innen im Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer bzw. der Initiative für evangelische Verantwortung in der Wirtschaft gepflegt. Ein ebenso wichtiges Thema ist der Schutz des freien Sonntags, für das sich der KDA seit 2012 in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften in den Sonntagsallianzen in Thüringen und Sachsen-Anhalt einsetzt.

Das Themen- und Aufgabenfeld des Kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt ist so umfangreich, dass der KDA als Scheinriese gesehen werden kann: Von Ferne ein Akteur mit großem Feld und Einfluss, doch aus der Nähe betrachtet sind seine Ressourcen recht bescheiden. So erweist sich manches Projekt als recht zartes Pflänzlein – doch die Alternative, die Arbeitswelt ausschließlich den Marktkräften zu überlassen, ist keine Option.

In der Festschrift „Priorität für die Arbeit“ zum 90. Geburtstag von Günter Brakelmann hat Studienleiter Holger Lemme einen Aufsatz unter dem Titel „Von Scheinriesen und zarten Pflänzchen“ veröffentlicht, der die hier angedeuteten Thesen weiter ausführt.