Gamebased Learning – also Lernen durch Spielen – hat einen festen Platz in der Jugendbildung der Evangelischen Akademie. Eine der Spielarten im Repertoire sind Pen & Paper-Rollenspiele. Seit Jahren wird in der Akademie das eigene Spielsystem rund um den fiktiven Stadtstaat Tiamast weiterentwickelt und -gespielt, in dem es um die Auseinandersetzung mit Grundrechten geht. Diese Erfahrungen wurden nun mit dem Fachwissen des Institut Spawnpoint für Spiel- und Medienkultur zusammengefasst und in einer gemeinsamen Fortbildung an Jugendmitarbeiter:innen weitervermittelt.
Beim Pen & Paper-Rollenspiel tauchen Spieler:innen in fantastische Welten ein und Entwickeln die Geschichte der eigenen Spielfigur beständig weiter. Seit Beginn der 1980er Jahre ist die Begeisterung für Spielsysteme wie „Dungeons & Dragons“ bei Jugendlichen (und vielen Erwachsenen) ungebrochen. Im Pen & Paper kombinieren sich spannende Geschichten, soziale Interaktion, Spielfreude und die Herausforderungen eines komplexen Spiels. Auch in pädagogischen Kontexten werden diese Spielformen immer wieder erfolgreich eingesetzt. Mögliche Anwendungsgebiete sind kulturelle und politische Bildung, Identitätsarbeit, Rollenexperimente und Sensibilitätsthemen. Themen, Settings und Fragestellungen sind dabei kaum Grenzen gesetzt.
In der Fortbildung wurde gemeinsam gespielt, diskutiert, Ansätze direkt in der eigenen Arbeit ausprobiert und das anschließend reflektiert. Dabei zeigte sich, Pen & Paper-Rollenspiele sind nicht für alle geeignet. Es braucht ein Faible für fantastisches Erzählen und die Bereitschaft, sich auf eine neue Erfahrung einzulassen. Dann aber kann man mit großem Abstand zu sich selbst und dem eigenen Alltag spannende Abenteuer erleben und dabei Erkenntnisse über sich selbst und die Realität gewinnen. „Besonders toll ist die Selbstwirksamkeit, die die Kinder erfahren, weil sie nicht nur Teil der Geschichte sind, sondern jede ihrer Entscheidungen und Handlungen die Geschichte erst möglich macht“, berichtete eine Schulsozialarbeiterin aus ihren Erfahrungen mit einer Mädchengruppe im Hort.
Für alle, die den Workshop verpasst haben: Wegen der großen Nachfrage gibt es eine Wiederholung im November, für die man sich jetzt schon vormerken lassen kann!
Die Landesallianzen für den freien Sonntag in Sachsen-Anhalt und Thüringen ziehen zum Tag der Arbeit im Jahr 2024 gemischte Bilanz: 30 Jahre nach Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes und der Streichung des Buß- und Bettags 1994 stehen erneut Feiertage auf der Kippe. Die Allianzen konstatieren massive Rückschritte in der Debatte um das Verhältnis von Arbeits- und Lebenszeit.
Länger und mehr arbeiten – Finanzminister Christian Lindner sieht nicht etwa fehlende öffentliche Investitionen, sondern mangelnde Arbeitsleistung als Problem der deutschen Wirtschaft. Passend dazu werden alte Rezepte wieder aufgewärmt: Die Verlängerung der Arbeitszeit soll private Investitionen rentabel machen und nebenbei die Jahrhundertkrisen lösen. Ob das Gemeinwohl auf diesem Weg profitiert, darf bezweifelt werden. Einer der blinden Flecken der Diskussion: bei diesem Kurs sind auch unsere Feiertage in Gefahr!
Gibt es neue ‚Bußtagsopfer‚ zur Verlängerung der Arbeitszeit?!
Die Verlängerung der Arbeitszeit kann auch durch die Streichung von Feiertagen erreicht werden. Tatsächlich gibt es Überlegungen dazu: Anlass für die Sorgen der Sonntagsallianzen sind Äußerungen wie etwa des Ökonomen und Direktors der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Guntram Wolff. Dieser hatte im November letzten Jahres im Handelsblatt gefordert, dringende Investitionen bei angezogener „Schuldenbremse“ doch kurzerhand durch Streichung zweier Feiertage zu finanzieren. Als vermeintliches Positivbeispiel hatte Wolff die Abschaffung des Buß- und Bettages 1994 angeführt.
Die mitteldeutschen Sonntagsallianzen fordern deshalb zum Tag der Arbeit die Politik auf, sich klar und eindeutig zu Sonn- und Feiertagen zu bekennen. Die historisch-kulturelle Verankerung und die Gewährleistung gesamtgesellschaftlicher Werk- und Ruhetage stünden über dem Marktprinzip.
Björn Höcke: Wirtschaftsleistung wichtiger als Feiertag
Wie kann bis 2045 die vollständige Klimaneutralität erreicht werden? Und welche sozialen und ökonomischen Vorteile könnten sich daraus für die Bürger ergeben? Vor diesen Fragen steht die Thüringer Hauptstadt Erfurt. Die Stadtwerke (SWE) verfolgen einen langfristigen Plan: Für die Fernwärmeversorgung soll die Tiefengeothermie der Erfurter Unterwelt angezapft werden. Die Erdwärme in bis zu 5.500 Metern Tiefe ist eine der möglichen Säulen eines ausgeklügelten Konzepts der Daseinsvorsorge, des Erfurter Modells.
Am Abend des 25.04.2024 ist das Projekt im Evangelischen Augustinerkloster der Stadt vorgestellt und diskutiert worden. Einer der wichtigen Ausgangspunkte war die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz neuer klimafreundlicher Technologien und ihrer Möglichkeiten; eine Größe, die sich im Kern aus einer wissenschaftlichen Wirkungs- und Technikfolgenabschätzung genauso wie aus sozialen und ökonomischen Vorteilen für die Bevölkerung ergibt. Das Publikum zeigte sich schon mal offen für die Erdwärmenutzung, solange soziale und ökologische Faktoren nicht gegeneinander ausgespielt würden.
Nachhaltige Wirtschaftlichkeit für alle statt Gewinne für wenige
Kay Eberhardt, Bereichsleiter Technik der SWE Energie GmbH und einer der Experten des Abends, hat im besten Sinne strategische Ansprüche an die Energiegewinnung aus der Erdkruste. Sozialverträglich soll sie sein und dem Gemeinwohl dienen – und natürlich soll der Energiepreis für den Bürger günstig sein. Die (Stadt-)Gesellschaft als Ganzes müsse von der Regionalisierung der Daseinsvorsorge profitieren, so Eberhardt. Unabhängigkeit von imperialen Launen und fernen Energiemärkten ist eines der übergeordneten Ziele. Und anders als bei vielen Projekten des Windenergieausbaus sollen weniger privatwirtschaftliche Investorenwünsche als gemeinwirtschaftliche Interessen zum Zuge kommen.
Andererseits dämpft Kay Eberhardt allzu hochfliegende Erwartungen: Das Projekt sei längst keine ausgemachte Sache. So manche Hürde behördlicher, finanzieller und technischer Art sei noch zu nehmen und nicht alle Stellen würden genügend Gespür für die strategische Bedeutung und die Möglichkeiten dieser Technologie in der Familie der Erneuerbaren Energien aufbringen.
Kein Fracking! – Geologische Expertise auf dem Podium
Nächster Schritt im ambitionierten Vorhaben ist eine Erkundungsbohrung. Auch wenn diese vorerst weniger vielversprechend ausfallen sollte, so wird sie doch nach Ansicht der ebenfalls im Augustinerkloster vortragenden Geologen Michael Kosinowski und Ingo Raufuss wirtschaftliche Potenziale mit sich bringen. Ob großangelegte energetische Speicheranwendungen oder die Nutzbarmachung mit zukünftiger Technik: Die gewonnenen Erkenntnisse seien für die gesamte Region des Thüringer Beckens von großer Bedeutung. Spürbares Aufatmen folgte auf das „Nein“ der Geologen, als das Gespräch auf das umstrittene Fracking kam. Die Erfurter setzen auf vorhandene Brüche in der granitenen Tiefe, nicht auf die künstliche Schaffung von Rissen.
Die Abendveranstaltung fand im Rahmen der Reihe Augustinerdiskurse der Evangelischen Akademie Thüringen, des Vereins Zukunftsfähiges Thüringen, RENN.mitte sowie der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen statt.
Ich denke über etwas nach, was du nicht siehst – so könnte man den Grundgedanken des Unsichtbaren Theaters zusammenfassen. Mit diesem setzte sich der inzwischen traditionelle Akademie-Workshop zum „Theater der Unterdrückten“ Mitte April auseinander. Zusammen mit dem Theaterpädagogen Till Baumann aus Berlin erprobten Haupt- und Ehrenamtliche aus der Jugendarbeit und der politischen Bildung diese Form des Theaters nach dem brasilianischen Theatermacher Augusto Boal.
Dabei hat Boal „Unsichtbares Theater“ nicht erfunden, sondern vorhandene Ansätze von aktivistischem Theater im öffentlichen Raum aufgegriffen und verfeinert. Heute wird Unsichtbares Theater überall auf der Welt gespielt. Die Idee dabei ist, Szenen von erlebter Ungerechtigkeit aus Sicht der Theatergruppe in eine Szene zu verwandeln, die als Alltagserlebnis im öffentlichen Raum daherkommt. Ein Paar streitet sich, wer das Kind aus der Kita abholt. Sie bleibt am Ende mit der Aufgabe und ihrem Stress stehen, während er ins Büro davon saust. Zwei Frauen machen auf dem Anger in Erfurt eine Umfrage zur nächsten Wahl und hören die unterschiedlichsten Meinungen. Soweit so normal. Beim genaueren Hinsehen aber bergen die Szenen gesellschaftspolitische Sprengkraft: Wie ist es mit der gerechten Verteilung von Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern? Und wer hat jetzt berechtigte Angst vor den kommenden Wahlergebnissen, weil er sich oder die eigenen Lebensumstände ernsthaft bedroht sieht?
Beim Unsichtbaren Theater bleibt die Theatralität der Szenen verborgen. Passant:innen wissen gar nicht, dass sie ein vorbereitetes Stück sehen. Augusto Boal sagte dazu: „Zuschauende dürfen nicht erfahren, dass sie Zuschauende sind, weil sie das zu Zuschauenden macht.“ So aber sind sie aktiver Teil der Szene und müssen sich dazu verhalten: Eingreifen? Ignorieren? Mit Umstehenden darüber sprechen? In jeden Fall nehmen sie den Gedankenanstoß zum Thema mit.
„Die Methode hat Potenzial in der politischen Bildung“, so das einhellige Urteil der Teilnehmenden. Zum einen, weil das Ausarbeiten der Szenen und das Erleben der Reaktionen im öffentlichen Raum einen intensiven Bildungsprozess für die Teilnehmenden bedeutet. Und zum anderen, weil man Themen und Fragen in die Gesellschaft trägt und damit auch Menschen erreicht, die Seminare politischer Bildung nicht besuchen würden.
Noch durchgefroren von der Eröffnung der Landesgartenschau in Bad Dürrenberg wurde Reiner Haseloff (CDU) am Freitagabend zugeschaltet zum Kongress „Demokratie ist ein Marathon. Über den Umgang mit rechten Parteien im Osten Deutschlands“. Seine Botschaft an die 80 Teilnehmenden in den Franckeschen Stiftungen zu Halle war deutlich: Keine Kompromisse. Gegen die rechten Parteien haben wir nur dann eine Chance, wenn wir uneingeschränkt klar sind. Das gilt auch für den Kommunal- und Selbstverwaltungsbereich.
Gezielt hatten die vier Evangelischen Akademien im Osten einen konservativen Ministerpräsidenten eingeladen, um den Diskursraum zum Thema zu weiten. Doch wie ist er überhaupt, der Osten? – für Valerie Schönian erlebte „Avantgarde“ – im Guten wie im Schlechten. Wir hätten somit gar keine andere Wahl als hoffnungsvoll zu sein, so die Journalistin zu Beginn. Der Kulturwissenschaftler Alexander Leistner beschrieb ihn in seinem Vortrag als kulturell-mental different und eigensinnig im Vergleich zum Westen. Die AFD mache sich das zunutze, indem sie etwa an die Erfahrung des Systembruchs 1989/90 anknüpfe mit Parolen wie „Vollende die Wende“. Eindringlich warnte er vor Destabilisierung der Demokratie von innen wie außen und schlug eine „Absage an Geist, Logik und Praxis der Destabilisierung“ vor.
Tagtäglich damit zu tun haben die Verfassungsschutz-Chefs Stefan Kramer (Thüringen) und Jörg Müller (Brandenburg). Beide beobachten eine wachsende Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung. Beide betonten im Podiumsgespräch zugleich die Mehrheit derer, die demokratische Parteien wählen. 10%-15% der Bevölkerung sei wirklich rechtsextrem, so Kramer. Den Rest könne man zurückholen. Doch auf welche Weise? Kramer meinte: „Der beste Verfassungsschutz sind mündige Bürgerinnen und Bürger.“ Müller setzte kritisch hinzu: Die AFD nimmt und die positiven Begriffe weg und wir lassen sie uns wegnehmen. Anschließend betonte er: „Die Demokratie wird die AfD überleben. […] Vertrauen Sie auf die Werkzeuge der Demokratie. Aber das Vorfeld gehört komplett verboten.“
Die Thüringer Landtagsabgeordnete Dorothea Marx (SPD) plädierte nach der Haseloff-Schalte auch für ein Verbot der AFD. Sie wolle der AFD damit die staatliche Parteienfinanzierung, die „Kriegskasse wegnehmen“. Sonst komme tagtäglich auf Haltung an. „Das ist doch das Leben, das wir verteidigen wollen: Würde, Vielfalt und Humor. Wir müssen doch nicht so verbissen sein wie die“, so Marx. Und: Widerspruch heißt Sprechen, so einhellig mit ihr auch die beiden weiteren Frauen auf dem Podium Annalena Schmidt (AG Kirche für Demokratie und Menschenrechte) und Katrin Rudolph (Superintendentin Zossen).
Hier die Inhalte und Workshops des Kongresses am Samstag zu präsentieren, würde zu weit führen. Zu viel wäre es auch, auf all die Begegnungen, Gespräche, Vernetzungen in den Pausen und bei den Mahlzeiten einzugehen, die mehr als Beiwerk waren.
Das Abschlusspodium am Samstagnachmittag wendete das Thema noch einmal ins Kommunale. Deutlich wurde dabei, wie unterschiedlich eine Oberbürgermeisterin (Constance Arndt, Zwickau), ein Rechtsextremismus-Experte (David Begrich, Magdeburg) und der Sprecher eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses (Niklas Gerlach, Halle gegen Rechts) manches sehen und interpretieren, auch wenn sie sich im Grunde einig sind. Das liegt, soweit klar, auch an den Funktionen und Aufgaben, die jede und jeder hat:
Wie umgehen mit der extremen Rechten? Oberbürgermeisterin Arndt setzt auch auf das persönliche Gespräch mit Mitgliedern aller Fraktionen im Zwickauer Stadtrat. Niklas Gerlach lehnt für das Bündnis in Halle jegliche Kooperation ab. Und David Begrich empfiehlt: „Man muss den Kakao, durch den man als demokratische Partei gezogen wird, nicht auch noch austrinken.“ Hierbei seien Tabubrüche und Provokationen auseinanderzuhalten. Bloße Provokationen sollte man ignorieren, echte Tabubrüche dafür aber konsequent sanktionieren. Kritisch merkte er zugleich an: „Auf Normalisierung folgt Machtzuwachs. Und dafür haben wir noch keinen Umgang. Die Normalisierung ist durch, die halten wir nicht mehr auf.“
Im Sommer soll eine epd-Dokumentation des Kongresses erscheinen.
Was macht Aufwachsen von Suhl bis Usedom und von Eisenach bis Frankfurt/Oder aus? Braucht es eine spezifische Jugendpolitik Ost? Mit diesen Fragen ist die Jugendbildung der Akademie gemeinsam mit der Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) bereits seit vier Jahren unterwegs. Im Projekt „Von wegen anders!? Jugendpolitik Ost“ wurden Perspektiven, Fragen und Forderungen von Jugendarbeit, Wissenschaft und Jugendpolitik gesammelt und in neun Thesen gebündelt. Am 12. April stellten Christian Kurzke, Ev. Akademie Sachsen, und Dr. Annika Schreiter, Ev. Akademie Thüringen, diese erneut in Wismar beim Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern vor und diskutierten sie mit Jugendverbandsarbeit und Landespolitik.
Klar wurde: Die Thesen zu heterogenen Lebenslagen Jugendlicher, Verbesserung und Verankerung von Jugendbeteiligung sowie prekären Beschäftigungsverhältnissen in Jugendhilfe und zivilgesellschaftlichem Engagement sind immer noch brandaktuell. Auch in Mecklenburg-Vorpommern fehlt es an Wertschätzung für junge Menschen und die Arbeit mit ihnen, die sich nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch in haushalterischen Mitteln niederschlägt.
Eingeladen zu dem Abend in Wismar waren die Delegierten der Jugendverbände des Landesjugendrings Mecklenburg-Vorpommern, Landespolitiker:innen und zwei prominente Gäste: Staatsminister Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, und Sylivia Grimm, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport in Schwerin. Beide tauchten jedoch trotz Zusagen und ohne jede Erklärung nicht auf. Für Viele vor Ort erneut das ernüchternde Zeichen, dass letztendlich Jugendpolitik viel zu oft nicht wichtig genug ist.