Die Stadt Eisenach hat ein Leitbild für Ziele und Entwicklungen der lokalen Bildungslandschaft veröffentlicht. Seit 2017 nahm die Stadt in diesem Kontext am Bundesprojekt „Bildung integriert“ mit der Zielgabe des Aufbaus eines kommunalen Bildungsmanagements teil. Im Rahmen zweier Bildungskonferenzen im September 2018 und März 2019 brachten Bildungsakteure und -institutionen aus Eisenach Themen und Anregungen zur Diskussion in den Gestaltungsprozess des Leitbildes ein.
Die Jugendbildungsstätte Junker Jörg und die Evangelische Akademie beteiligten sich seit der ersten Bildungskonferenz am Impulsaustausch zum Leitbildprozess.
Das verabschiedete Bildungsleitbild umfasst Zielsetzungen und Prämissen für die fünf Schwerpunktthemen Lokale Bildungslandschaft, Lebenslanges Lernen, Chancengerechtigkeit, (Weiter-)Entwicklung bedarfsgerechter Bildungsangebote und Gestaltung der Übergänge. Die Eisenacher Bildungsakteure sind nun eingeladen, gemeinsam die Umsetzung des Leitbildes in den Fokus zu nehmen.
Das Leitbild zum Download sowie weitere Informationen zu dessen Entwicklungsprozess im Projekt „Bildung integriert“ finden sich auf der Website der Stadt Eisenach.
Ziemlich daneben oder clever? Bevor die gleichnamige Tagung losging, waren beide Meinungen zu hören. Dann schlich sich leise Melodie und Text des Tagungstitels, des Agitpropsongs „Sag mir, wo du stehst!“ in die Ohren der Teilnehmenden. Und schon 9:28 saßen alle auf ihren Stühlen. Prof. Andreas Lindner begann mit der Bemerkung, ihm sei gerade ein wohliger Schauer über den Rücken gelaufen und er sei froh, dass es vorbei ist: vorbei die Zeit der Bekenntnisansprüche zum SED-Staat.
Doch wie agierten die Kirchen in der DDR? Und wie war das christliche Alltagsleben im „realen Sozialismus“ gewesen? Vor allem Lehrerinnen und Lehrer sowie Studierende waren am 21. November ins Augustinerkloster Erfurt gekommen, um in Vorträgen und Workshops etwas darüber zu erfahren.
Drei Vorträge am Vormittag führten ein. Prof. Maser betonte die Rolle von Persönlichkeiten und kontrastierte den „Kirchenhasser“ Walter Ulbricht mit Erich Honecker. Letzterer habe, gerade im Lutherjubiläum 1983, die Nähe der evangelischen Kirche geradezu gesucht. Ein „besonderer Witz der Geschichte“ sei es schließlich gewesen, dass er und seine – ideologisch schärfere – Frau Margot am 30. Januar 1990 Asyl nur noch in einem Pfarrhaus bekommen hätten.
Weniger auf Personen, denn auf die Veränderung sozialer Strukturen, hob Prof. Martin Onnasch ab: Schwächung der Volkskirche durch schwindende soziale Verankerung, Vordringen der Staatsideologie durch Druck auf die Eltern und Zurücknahme des kirchlichen Anspruchs gegenüber dem Staat wurden von Onnasch stärker prozesshaft geschildert.
Prof. Seiler beschrieb schließlich die Position der katholischen Kirche im Wesentlichen mit „politischer Abstinenz“: einer Haltung, die im Nachhinein kritisch gesehen wird. Zudem plädierte er für Sorgfalt bei der Verwendung von Begriffen in Historiographie und Geschichtspolitik. Was sei etwa mit dem Wort „Unrechtsstaat“ gemeint? Oder was bedeute der Begriff „Widerstand“ in der DDR, wenn kein Umsturz geplant worden ist? Auch auf die Begrifflichkeiten und Metaphern in Standortbestimmungen katholischen Lebens in der DDR selbst sei zu achten, wenn etwa von einer „Gärtnerei im Norden“, vom „fremden Haus“ oder von „Daniel in der Löwengrube“ die Rede gewesen sei.
Sein Plädoyer für eine stärkere Erforschung christlichen Lebens in der DDR fand in den Workshops am Nachmittag Widerhall. Seiler sagte u.a., Widerstand und Opposition seien in die mentale Disposition der Gläubigen verlagert worden. Dieser Gesichtspunkt ließ sich auf Workshop-Themen wie die „Offene Arbeit der Kirchen in der DDR“, die „Friedensdekade“ oder die „Friedensgebete und Demonstrationen 1989 in Leipzig“ beziehen.
Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich stellte in seinem Workshop „Pazifisten in Uniform“ die Bausoldaten in der DDR vor. Er berichtete aus seinem Alltag als Bausoldat im Chemiedreieck 1988/89. Vor allem sein zeitgenössischer Briefwechsel mit einem Klassenkameraden führte vor Augen, wie die Angst vor dem Staat damals Stück für Stück schwand, wenngleich die Herrschenden in dieser Situation gegen widerständiges Verhalten punktuell besonders rabiat vorgingen.
„Weißt du eigentlich, was du uns damit antust?!“ Der Vater starrt seine Tochter wütend an. „Ja, was sollen die Nachbarn denken?“ Auch die Mutter wird laut. „Aber ich liebe Paula!“, verzweifelt schaut die Tochter zwischen ihren Eltern hin und her.
Das Publikum hält den Atem an und schaut gebannt auf die Szene, die im Seminarraum „Drachenhort“ in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg am Mittwochvormittag gezeigt wird. Sie geht unter die Haut und entstammt direkt dem (Er)Leben der Menschen, die sie auf die Bühne bringen. Das spürt man und es sorgt dafür, dass man sich der Verzweiflung und dem gezeigten Konflikt nicht entziehen kann.
Die Szene ist ein Ergebnis von drei Tagen Arbeit im Schnupper-Workshop „Forumtheater in der politischen Bildung“, der bereits zum zweiten Mal in Eisenach mit dem Theaterpädagogen Till Baumann stattfand. Die Methode stammt aus dem brasilianischen „Theater der Unterdrückten“ nach Augusto Boal und hat das Ziel, Menschen durch theatralen Ausdruck Situationen von Diskriminierung und Unterdrückung aus ihrem Leben auf die Bühne bringen zu lassen. Dabei nehmen diese Szenen einen denkbar schlechten Ausgang: Machtverhältnisse bleiben bestehen, Konflikte eskalieren, Unterdrückte verbleiben in ihrer Rolle… Forumtheater macht Missstände sichtbar und Menschen sprach- oder ausdrucksfähig. Aber dabei bleibt es nicht. Denn im zweiten Schritt öffnet sich die Bühne und lädt das Publikum – bzw. das Forum – dazu ein, Ideen einzubringen, was sich verändern ließe. Diese können dann direkt ausprobiert werden: Was passiert, wenn ich Diskriminierung laut widerspreche? Oder sie hinterfrage? Oder das Setting der Situation verändere? Oder andere zu Hilfe hole? Oder… ?
Am Workshop nahmen Haupt- und Ehrenamtliche aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Bildungsarbeit teil. In der Reflexionsrunde resümiert eine Teilnehmerin: „Ein Konflikt ist nie das Ende. Es gibt immer mehr als einen Ausweg und es geht nie um richtig oder falsch, sondern darum, verschiedene Perspektiven ins Leben zu holen.“ Andere Teilnehmende freuen sich darüber, im Workshop einen Einblick in eine Methode gewonnen zu haben, die körperlich, spielerisch und ohne viele Worte funktioniert: „Großartig, dass wir mal nicht verkopft gearbeitet haben, sondern mit ganz viel Emotion!“ Und ganz nah an politischen Themen wie Homophobie, Sexismus, Populismus oder Meinungsfreiheit war der Workshop dennoch – oder gerade deshalb!
Ganz und gar nicht auf einer Insel befanden sich die 25 Personen, die am vergangenen Wochenende zur Tagung „Niemand ist eine Insel“ zusammengekommen waren, um über Insularitäten, Isolation und insulare Räume nachzudenken. Angereist aus Wien, Warwick und unterschiedlichen Regionen Deutschlands, traf man sich zentral im thüringischen Neudietendorf, das dann allerdings durch Dauernebel doch so etwas wie ein Gefühl der Abgelegenheit bot – eine willkommene Zutat, um drinnen bei Vorträgen, Arbeitsgruppen und Thementischen wichtige Insel-bezogene Fragen zu diskutieren, wie zum Beispiel: Woher kommt sie, die Inselsehnsucht? Ist das eine eurozentristische Erscheinung? Woran denken wir primär, wenn wir uns auf eine Insel wünschen? Und mit welchen Problemen sind Inselstaaten heute im Zuge der Klimakrise konfrontiert?
Lebhafte Gespräche entstanden unter anderem auch durch die interdisziplinäre Zusammensetzung der Gruppe: Da traf literarisch-poetisches Interesse an der Inselmetapher auf politikwissenschaftliche Analysen, sozioökonomische Utopie auf Inselsymbolik im Film, Inselhistorie auf gegenwärtige Realitäten. Gerade bei den diskursiven Formaten wie etwa der gemeinsamen Textarbeit in der Arbeitsgruppe „Fluchtpunkt Insel“ mit Charlton Payne beteiligten sich die Tagungsgäste rege.
Der Titel der Tagung, ein Zitat aus John Donnes Meditationen von 1623, kam prominent am Sonntag zum Tragen. Schon im Morgenimpuls konnte man Thomas Mertons philosophische Ausführungen zu Donnes Text hören, die zwischen der Emphase des alles umschließenden Gemeinschaftsgefühls und dem Plädoyer für die Möglichkeit und Wichtigkeit des Einsamseindürfens oszillierten. Die Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu beschäftigte sich in ihrem Vortrag zu modernen Eremiten ausführlich mit dem von Merton beschriebenen Paradox und entfachte bei den Teilnehmenden eigene Reflexionen, die sie mit auf den Weg nach Hause nahmen.
Androiden-Programmierung im Gnadenthal, Rebellentruppen in den Gängen, im Chorsaal eine Diskussion darüber, wie aus der Galaktischen Republik ein Imperium werden konnte, und im Raum der Stille eine Andacht zur Verlockung der dunklen Seite – am vergangenen Wochenende wurde das Zinzendorfhaus Neudietendorf auf den ersten Blick mit ungewöhnlichen Themen erfüllt. Es fand die Tagung „Viel zu lernen du noch hast…“ zu Star Wars als popkulturellem Phänomen und Bildungschance statt.
Auf den zweiten Blick aber handelte es sich um eine ganz klassische Akademietagung, die da gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung (LZT) und der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) angeboten wurde: Menschen zwischen 12 und 70 Jahren, aus ganz Deutschland und aus ganz verschiedenen Bereichen kamen unter dem gemeinsamen Thema Star Wars für drei Tage zusammen, um über Gesellschaft, Politik und sich selbst nachzudenken.
Dabei war die Tagung in zwei parallele Stränge aufgebaut: Im Chorsaal fand stets ein Angebot zum Nachdenken statt. Zum Beispiel leitete Theologe Dr. Constantin Plaul an, über die mythischen Elemente im Star Wars-Universum nachzudenken. Und schon diskutierten die Teilnehmenden über Gottesvorstellungen und der Frage nach dem Jenseits – in der weitentfernten Galaxie, aber auch ganz persönlich. Dr. Matthias Völcker von der Universität Göttingen stellte empirische Ergebnisse zum Selbstverständnis von Star Wars-Fans vor und zeigte das kreative Potenzial von Fantum auf. Und Jan Grooten erläuterte in seinem Überblicksvortrag zu Gesellschaftsentwürfen bei Star Wars das Potenzial von „Lernen am Unterschied“. Denn die Gesellschaftsentwürfe bei Star Wars weisen große Parallelen zur Realität auf: Da gibt es demokratische und autokratische Strukturen, wirtschaftliche und soziale Konflikte oder religiöse Einflüsse auf politische Entscheidungen. Eins zu eins übertragen lassen sich die Strukturen aber natürlich nicht. Daher sieht Grooten gerade beim Herausarbeiten des Unterschieds das pädagogische Potenzial.
Der zweite Strang der Tagung bot parallel zu den inhaltlichen Inputs kreative Zugänge. Mirko Pohl von der TLM bastelte und programmierte mit Teilnehmenden Androiden und zeigte so, wie komplex und dennoch nicht unmöglich dies ist. Wieland Koch von der LZT lud Teilnehmende ein, gemeinsam im Fan Fiction-Schreibkurs eine eigene Geschichte zu entwickeln. Dr. Annika Schreiter entwickelte mit den Teilnehmenden ganz persönliche Star Wars-Avatare. Und Peter Gotthardt und Dennis Lange vom Waldritter e.V. boten im Mini-Liverollenspiel „Rogue Zero“ an, im Spiel ins Stars Wars-Universum einzutauchen und eine Geschichte mitzugestalten.
„Wie großartig ist doch der Sog von Geschichten“, zog Referent Dennis Lange sein persönliches Fazit. Denn darin stecke so viel kreatives Potenzial und die Chance, Fragen und Probleme zu durchdringen, und sich selbst zu reflektieren. Teilnehmerin Amelie Wiese erklärte: „Es hat mich überrascht, wie einfach man beim Nachdenken über Star Wars bei ganz großen politischen, philosophischen oder religiösen Diskussionen landet, die man sonst wahrscheinlich nicht so schnell so führen könnte.“
Letzten Freitag ging es laut zu im großen Seminarraum der Jugendbildungsstätte Junker Jörg, denn während der Abschlusspräsentation wurden auch Hör-Kostproben ehemaliger DDR-Punkbands vorgestellt. „Wir wollen immer artig sein!“ hieß das Motto einer Woche zu Jugendsubkulturen der DDR und da durften natürlich auch die Punks nicht fehlen. Rund 40 Jugendliche aus den 9. Klassen des Gymnasiums Ernestinum in Gotha und des Gymnasiums Casimirianum in Coburg zeigten, womit sie sich eine Woche lang beschäftigt hatten. Neben dem Alltag einer Jugend in der DDR, mit FDJ und Pionierorganisation, ging es in den Präsentationen auch um Jugendliche, welche von der DDR-Staatssicherheit schon in den 7. Klassen als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) angeworben wurden oder um Haftgeschichten Jugendlicher, welche die DDR verlassen wollten und wegen „Republikflucht“ in den Untersuchungshaftanstalten der Stasi landeten.
Sehr eindrücklich gezeigt wurden diese Schicksale beim Besuch der Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt – der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt – und im darauf folgenden Gespräch mit Zeitzeugen. Die Jugendlichen bekamen mittels Filmen, Dokumentationen oder den Kopien von Stasi-Akten einen Einblick, wie eng oft die Spielräume waren, welche den Jugendlichen blieben, die eben nicht „artig“ waren. Immer wieder staunten die jungen Leute, wie selbstverständlich sie ihr Leben heute frei gestalten können und wie sich eine Diktatur von einer Demokratie unterscheidet. Oft betroffen von den Schicksalen Gleichaltriger in einem Unrechtsstaat waren sie sich einig, dass sich so etwas nie wiederholen darf.
Neben den thematischen Schwerpunkten in den Seminaren gab es aber auch Raum zum Kennenlernen. So sangen viele der Jugendlichen gemeinsam an den Abenden, spielten Tischtennis oder Kicker und kamen sich im Gespräch näher. Das wunderbar milde und sonnige Wetter ließ auch Spaziergänge zur Wartburg oder durch den bunten Herbstwald zu. Als es dann am Freitag Abschied nehmen hieß, mischte sich bei einigen der Jugendlichen darum wohl auch ein wenig Wehmut in die Freude, dass es nun wieder nach Hause geht. Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass es auch im nächsten Jahr wieder eine solche Woche geben sollte.