Aller guten Dinge sind bekanntlich drei: Zweimal schon war die Eröffnung der Ausstellung von Andrea Terstappens Kreuzen geplant und wegen Corona wieder verschoben worden. Beim dritten Mal nun hat es geklappt! Zur Mittagsgebetszeit am 28. September fanden sich interessierte Besucher:innen und Mitarbeitende des Evangelischen Zentrums ein, um die in den Gängen und Räumen des Zinzendorfhauses aufgehängten Kunstwerke zu betrachten, Thematisches zum Kreuz als Gegenstand und Symbol zu erfahren und die Künstlerin, die persönlich vor Ort war, zu befragen.
In den einleitenden Worten von Akademiedirektor Dr. Sebastian Kranich und Studienleiterin Dr. Sabine Zubarik ging es um die Vielseitigkeit, aber auch die Spannung, die dem Kreuz als Symbol innewohnen. Auf den ersten Blick fällt der Farben- und Formenreichtum, ja sogar eine gewisse Fröhlichkeit auf, mit dem den Betrachtenden die Bilder entgegenstrahlen. „Kreuz und bunt, wie geht das zusammen“, fragt Sebastian Kranich – und die Antwort hat die Künstlerin selbst schon geliefert: „Das Kreuz ist beides: Symbol für den Schrecken, für Leiden, für Tod. Aber es steht eben auch für Optimismus, für Heilserwartung.“
Die Ausstellung kann noch bis zum Ewigkeitssonntag am 21. November 2021 zu den Öffnungszeiten des Zinzendorfhauses besichtigt werden. Wir laden Sie herzlich dazu ein!
Das diesjährige Forum des Evangelischen Verbands Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) ist mit dem Wort „Einer trage des Anderen Last…“ aus dem Galaterbrief (6, 2) überschrieben. Rund 70 Tagungsgäste sind dem Aufruf gefolgt und diskutieren engagiert über die Herausforderungen einer solidarischen Zukunftssicherung: Sind die derzeitigen Sozialversicherungssysteme noch zeitgemäß? Wie sollen die Jobcenter der Zukunft aussehen? Welche Konzepte braucht es für bezahlbaren Wohnraum?
Prof. Traugott Jähnichen erläutert, dass aus Perspektive der evangelischen Sozialethik die „großen Risiken“ gesellschaftlich abgesichert sein müssen, so wie es in Deutschland seit rund 150 Jahren der Fall ist. Um den bevorstehenden demographischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, reichten kleine Veränderungen jedoch nicht mehr: „Wir brauchen deutlich größere Reformschritte. Und das ist eine Frage des Mutes.“
Folgerichtig möchte die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Trennung von gesetzlicher und privater Versicherung überwinden. Sie betont, „dass es Zeit ist, dass wir endlich eine Bürgerversicherung einführen.“ Und Prof. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung begründet, dass tragfähige Sozialsysteme ein Win-Win für alle seien, denn Gesellschaften, die hochsolidarisch sind, könnten Krisen auf allen Ebenen deutlich besser bewältigen – auch ökonomisch.
Was heißt das nun konkret? In einer Arbeitsgruppe mit dem Sozialpolitiker Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen), die Studienleiter Holger Lemme moderiert, wird die Weiterentwicklung der Sozialversicherung gefordert. Die Lasten müssten solidarischer verteilt werden (z.B. durch eine Bürgerversicherung, Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, Einbeziehung von Kapitaleinkommen), um steigende Gesundheits- und Pflegekosten, aber auch auskömmliche Renten zahlen zu können. Bei einem „großen Wurf“ wie etwa dem Bedingungslosen Grundeinkommen ist Kurth allerdings skeptisch. Hier müssten Risiken und Nebenwirkungen sehr genau geprüft werden, damit sie nicht kontraproduktiv wirkten.
Videoaufzeichnnungen des KWA-Forums 2021 finden Sie auf Youtube.
„Golzow, das ist sooo klein, wie eine Ameise,“ sagt das syrische Mädchen Kamala. Sie ist 2015 mit ihren Eltern und ihren zwei Brüdern nach der Flucht aus Syrien in diesem brandenburgischen Dorf namens Golzow mit knapp 800 Einwohnern gelandet. Dort zu wohnen hat der Bürgermeister sie und andere geflüchtete Familien eingeladen, denn genau weil der Ort so klein ist, braucht er mehr Kinder, die die Fortführung des Schul- und Kindergartenbetriebs ermöglichen.
Die Regisseurin Simone Catharina Gaul begleitete diese Lebensphase der syrischen Familie zwei Jahre lang mit der Kamera. In ihrem Dokumentarfilm „Die neuen Kinder von Golzow“, der 2017 Premiere hatte, sieht man den nicht immer leichten Prozess des Einlebens und die mal vorsichtige, mal beherzte Annäherung der Dorfbewohner:innen an ihre neuen Nachbarn.
Bei der Filmvorführung zum Weltkindertag am 20. September im Augustinerkloster zu Erfurt kamen im anschließenden Gespräch mit der aus Berlin angereisten Regisseurin viele Fragen auf: Wie geht es der Familie heute, wie haben sie sich verändert? Was hielten eigentlich die Bewohner:innen Golzows von der Verfilmung? Konnte der Ort wirklich zu einer neuen Heimat werden und war dies überhaupt angestrebt? Haben wir generell aus der Zeit um 2015 etwas gelernt, gehen wir heute anders mit Geflüchteten um, insbesondere im Hinblick auf ihre Aufnahme, Unterbringung und ihre Rechte auf Beteiligung?
Die Abendveranstaltung „Die neuen Kinder von Golzow“ war eine Kooperation des Evangelischen Medienzentrums der EKM, des Evangelisches Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF), des Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt und der Evangelischen Akademie Thüringen. Weitere Filmabende sind für das kommende Jahr unter dem Veranstaltungstitel „Augustinerfilm“ geplant.
Wie wird sich Gesellschaft künftig weiter entwickeln und wie wollen und können Menschen sie gestalten und daran teilhaben? Ein Blick auf das Heute und Morgen offenbart viele Herausforderungen, aber auch Chancen, die der Menschheit regional wie global begegnen werden. Was kann gegen den Klimawandel getan, wie die Umwelt geschützt werden? Von welchen neuen Impulsen kann die Bildungslandschaft profitieren und wie wird Bildungsgerechtigkeit geschaffen? Wie gestalten wir künftig unser Zusammenleben und auf welche Weise sollte sich nachhaltige Wirtschaft entwickeln? Was beschäftigt uns mit Blick auf die Zukunft, in Deutschland und der Welt?
Mit Zukunftsfragen wie diesen beschäftigten sich die Teilnehmenden der „VeränderBAR“ ganz praktisch am Workshopwochenende vom 17.-19. September in der Jugendbildungsstätte Junker Jörg. Rund um die vier großen Themenbereiche Bildung, Zusammenleben, Klima und Wirtschaft diskutierten sie über für sie drängende Fragen und trugen Ideen und Gedanken für mögliche gesellschaftliche Veränderungen zusammen.
In Form eines World Cafés sprachen sie zunächst darüber, was sie zu den vier Themen aktuell bewegte und welche Erfahrungen, Fragen und Meinungen sie dazu teilen wollten. Aus den gesammelten Zukunftsherausforderungen formulierten sie daraufhin Wünsche, Erwartungen und Lösungsideen für gesellschaftliche Probleme und überlegten, wie erste Schritte zu diesen Lösungen aussehen könnten. Konkret wurde es dann bei einem „Mini-Barcamp“: Die Teilnehmenden suchten sich jeweils ein Thema oder Problem aus, zu dem sie mit den Anderen weiter ins Gespräch kommen und gemeinsam nach Veränderungsstrategien suchen wollten. Zu den Themen zählten dabei etwa Biosiegel und das Bewusstmachen von Nachhaltigkeitsstrategien, die Gestaltung einer Mobilitätswende (vom Individual- zum ausgebauten öffentlichen Verkehr), ein Konzept zur Einführung einer 35-Stunden-Woche für Schüler:innen, Strategien zum Bekanntmachen von Beteiligungsstrukturen, Fragen nachhaltigen Trinkwasserkonsums sowie Chancengerechtigkeit im Bildungssystem.
Zum Abschluss des Workshops trafen die Teilnehmenden Vereinbarungen, inwieweit sie mit den Ideen weiterarbeiten und individuelle Projekte umsetzen wollten. So sollen nun etwa das Konzept der 35-Stunden-Woche weiter vertieft und für die Stadt Erfurt die Idee einer „Plauderbank“ erprobt werden, auf der Menschen mit anderen, ihnen bisher unbekannten Personen ins Gespräch kommen können.
Was bleibt nach einem Wochenende voll Zukunftsdiskussionen? Einerseits viele Eindrücke und neue Einsichten, die erst einmal verarbeitet werden wollen: „Ich habe gerade so viele Ideen, ich weiß noch nicht, wo ich anfangen soll“, beschreibt es ein Teilnehmer. Andererseits sicherlich auch die Überlegung, dass Veränderung bei jeder und jedem Einzelnen beginnt und der Stein dazu über gemeinsam entwickelte Ideen ins Rollen gebracht werden kann.
„Da stehen wir beim Kirchentag unter hunderten von Ständen mit unserem Schmuddelthema.“ Diese Wortmeldung eines Mitglieds der Menschenrechtsorganisation „Aktion der Christen gegen Folter“ (ACAT) in der Schlussdiskussion markiert einen entscheidenden Punkt: Wer sich mit Menschenrechtsverletzungen befasst, findet oft wenig Gehör.
Wer kann, wer will das hören? So wurde wiederholt gefragt bei der Tagung „Menschenrechte unter Druck. Aus Vergangenheit und Gegenwart in (ex)sozialistischen Staaten“ vom 11.-12. September, eine Kooperation der Evangelischen Akademie Thüringen und ACAT.
Es ging um Tschechien, die DDR und Vietnam: Drei Länder, unterschiedlich miteinander verbunden und zugleich durch den Kommunismus geprägt. Vertreibungen, Zwangsumsiedlungen, Enteignungen, erzwungene Flucht, Unterdrückung von politischer und von Meinungsfreiheit, der Druck auf Christen: Immer war es das gleiche Lied, wenn auch in unterschiedlichen Tonarten.
Per Livestream aus Prag zugeschaltet sprach Monika Žarská vom Prager Frühling und der Charta 77 und darüber, wie einflussreich die alten Eliten in Tschechien wieder sind. Ton-Vinh-Trinh-Do, 1979 aus Vietnam geflohen und heute Sozialtherapeut sowie zweiter Vorsitzender des Bundesverbands der vietnamesischen Flüchtlinge in Deutschland, brachte das Schicksal der Boat-People nahe. Vieles wusste er auch von den gegenwärtigen Aktivitäten des vietnamesischen Geheimdienstes hierzulande zu berichten. Um die DDR und deren Opfer ging es im Vortrag von Christian Dietrich, Pfarrer und von 2013-2018 Thüringer Landesbeauftragter für die Opfer der SED-Diktatur.
Doch ist ein Wissen darüber nur das eine. Die damit verbundenen Bilder und Gefühle fanden ihren Ausdruck besonders im abendlichen Konzert mit Lesung. Unter dem Titel „In mir steckt ein Schrei“ boten der Arzt und Liedermacher Dr. Karl-Heinz Bomberg, die Psychotherapeutin und Autorin Dr. Jutta Kranich-Rittweger sowie die Zeitzeugin und Liedermacherin Kathrin Begoin-Weber eindrückliche künstlerische Verarbeitungen von DDR-Gefängnis-, Jugendwerkhofs-, und Foltererfahrungen.
Eindrücklich bis an die Schmerzgrenze war schließlich der Vortrag über „Folter im global war on terror“. „Hören Sie endlich auf! Das hätte ich zwischendurch am liebsten sagen wollen“ – so eine Publikumsreaktion danach. Sebastian Köthe (UdK Berlin), schilderte die Praktiken der sogenannten „sauberen Folter“ in Guantánamo und ließ die Opfer ausführlich zu Wort kommen. Denn er habe nicht das Recht deren Zeugnisse abzuschwächen, so Köthe.
Mit Guantánamo kam auch in den Blick, wie sehr Anspruch und Ideal „westlicher Werte“ und die westliche Praxis in Sachen Menschenrechte heute auseinanderklaffen.
So bleibt der Einsatz für Menschenrechte wichtig. Bei ACAT ist er christlich gegründet. Zu den Briefaktionen kommt das Gebet, wie im Menschenrechtsgottesdienst am Sonntag im Kirchsaal der Brüdergemeine Neudietendorf. Der Leitspruch der Menschenrechtsorganisation ist dem Hebräerbrief entnommen:
„Denkt an die Gefangenen, als ob ihr selbst mit ihnen im Gefängnis wärt. Denkt an die Misshandelten, als müsstet ihr ebenso leiden wie sie.“
Besonders am Beispiel typischer Verbraucherabfälle wird schnell deutlich: Die Mülltrennung funktioniert nur teilweise. Thomas Bertram (Stadtwerke Erfurt) berichtet, dass ein Drittel des Inhalts von Restmülltonnen eigentlich in den gelben Sack gehöre. Dadurch gehen Wertstoffe für das Recycling verloren. Und von den Kunststoffen im gelben Sack könnten maximal ein Drittel stofflich verwertet werden. Janine Korduan (B.U.N.D.) beschreibt Deutschland als Plastikexport-Europameister (immerhin eine Million Tonnen Kunststoffe werden jährlich exportiert) und fordert die absolute Senkung des Materialeinsatzes. Dazu müssten Abfälle sortenrein gesammelt und einheitlichere Kunststoffe verwendet werden.
Der Unternehmer Heiko Rittweger setzt dagegen auf die Kraft des kreativen Wettbewerbs. Er stellt unterschiedliche Ansätze für Stoffkreisläufe bestimmter Produkte (Flaschen, Kaffeekapseln) vor – welche sich durchsetzen werden, sei noch offen. Janine Korduan sieht in marktorientierten Lösungsansätzen keine Zukunft, da sie die absoluten Verbräuche nicht reduzierten. Daher müssten die Preise ehrlich sein und schädliche Praktiken verboten werden. Thomas Bertram hält die deutliche Ausweitung von Pfand- und Mehrwegsystemen insbesondere bei Verpackungen für eine effektive Methode, das Abfallaufkommen zu reduzieren.
Die Bewahrung der Schöpfung ist ohne geschlossene Stoffkreisläufe nicht denkbar. Der Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ist allerdings noch lang. An diesem Abend wird deutlich, dass es einfache Antworten nicht gibt – und dass jede und jeder durch Konsum- und Wahlentscheidungen, Mülltrennung und Bewusstseinsbildung dazu beitragen kann, diesen Weg zu verkürzen.