Evangelische Akademie Thüringen

Veranstaltungen 2006

13. – 15. Oktober 2006

Bildungs- und Begegnungsstätte am Luisenpark, Erfurt

Ich hab Mein Sach´ auf Mich gestellt

Max Stirner und der moderne Individualimus - Philosophieseminar für Jugendliche

Das Recht "Ich" zu sagen und zu tun, die Wertschätzung der individuellen Freiheit kennzeichnen unsere westliche Gesellschaft.

Doch diese Freiheit ist eine äußerst widersprüchliche Angelegenheit.

Einerseits begründet sie die Anerkennung der Würde des Menschen, denRespekt vor Eigenart und Einmaligkeit, die Entwicklung des Individuumsnach seinem eigenen Maß.

Doch leben wir zugleich in der "Periode des atomistischen Chaos" (Nietzsche) und eines fortschreitenden Narzissmus:
"Mir geht nichts über Mich!" (Stirner).

Freiheitsmöglichkeiten kehren sich um in Unfreiheit, rücksichtslosenEgoismus oder Selbstverkümmerung des "letzten Menschen" (Nietzsche).Oft bewirken sie individuelle Überforderung. Nicht selten kommt es – imGroßen wie im Kleinen – im Namen der Freiheit zuFreiheitsbeschränkungen aller Art.

Wir leben in diesem Zwiespalt von Chance und Gefahr und müssen lernen,auf eine bejahenswerte Weise "Ich" zu leben – jede und jeder für sich,aus individueller Freiheit heraus.
Zu den radikalsten Denkern des Individualismus gehört Max Stirner (1806-1856).

Wohin gelangen wir, wenn wir solche Sätze wie den folgenden konsequent weiter denken:
"Suchet nicht die Freiheit, die Euch gerade um Euch selbst bringt, inder 'Selbstverleugnung', sondern suchet Euch Selbst, werdet Egoisten,werde jeder von Euch ein allmächtiges Ich."
                                                   (Stirner, Der Einzige undsein Eigentum)

Doch andererseits: wie weit sind solche Lebensmaximen in populärer Formschon so sehr Bestandteil unseres Alltags geworden, dass wir uns kaumnoch daran stoßen, wenn wir ihnen begegnen?

Der konsequente Individualanarchist Max Stirner fand in den letzten 150Jahren sowohl heftigste Gegner als auch euphorische Befürworter, beideaus sehr unterschiedlichen politischen und philosophischen Lagern.

Mit Ausschnitten seines Hauptwerkes "Der Einzige und sein Eigentum"werden wir Für und Wider und die Konsequenzen radikal gedachter undpraktizierter Freiheit diskutieren.

Von dort aus versuchen wir unsere heutige Situation genauer zuverstehen. Geistige Begleiter werden u.a. Marx, Schopenhauer, Nietzscheund Hannah Arendt sein.

Das Seminar setzt kein besonderes philosophisches Fachwissen voraus,wohl aber ernsthaftes Interesse am gemeinsamen Nachdenken über unsereGesellschaft, unsere Zeit und uns in ihr. Wir bieten keindurchgestyltes Programm und keine langen Referate. Wir werdenTextausschnitte lesen, gemeinsam diskutieren und mit ihnen unsereeigenen Erfahrungen und Gedanken zu klären suchen. Schwerpunkt desSeminars sind die Fragen, die Ihr mitbringt und die Gespräche darüber.

Der Text von Stirner: http://gutenberg.spiegel.de/stirner/einzige/einzige.htm
Andere Texte: http://www.max-stirner-archiv-leipzig.de/stirner07.htm

"Wir haben uns über unser
Dasein vor uns selbst zu verantworten;
folglich
wollen wir auch die wirklichen Steuermänner dieses Daseins abgeben
und nicht zulassen,
dass unsre Existenz
einer gedankenlosen Zufälligkeit
gleicht ...."
                                                           Friedrich Nietzsche

"[...] Wer war denn eigentlich dieser seltsame Max?
Als ich Bettina spasseshalber sagte, sie sei mein Eigentum,
sie sei meine Einbildung und in Wirklichkeit gebe es sie gar nicht,
meinte sie kurzentschlossen: 'Dann kitzle ich dich,
dann wirst du schon merken, dass es mich gibt!'"

                    (aus Vittorio Hösle und "Nora K.": Das Café der toten Philosophen)

Programm

Das Seminar beginnt Freitag um 18.00 Uhr mit dem Abendessen
und endet Sonntag um 12.30 Uhr mit dem Mittagessen.

Tagungsleitung

  • Dorothea Höck